Nakba-Ausstellung, 07.05.-07.06.2024, Seidlvilla München

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freundinnen und Freunde,

 2023 jährte sich am 14. Mai nicht nur der 75. Jahrestag der Ausrufung des Staates Israel sondern auch die Nakba (arabisch für Katastrophe) für die Palästinenser, die bereits seit 1947 aus den palästinen-sischen Gebieten vertrieben wurden bzw. fliehen mussten, auf denen dann der Staat Israel gegründet wurde. Es sind die helle (israelische) und die dunkle (palästinensische) Seite derselben Medaille. Während es im vergangenen Jahr zahlreiche Veranstaltungen zur Staatsgründung Israels gab und sich immer noch viele Berichte in den Print- und den digitalen Medien finden, war kaum etwas über die Vertreibung der palästinensischen Bevölkerung zu lesen und zu hören.

Die Münchner Gruppierungen der Palästinasolidarität (Jüdisch-Palästinensische Dialoggruppe, Frauen in Schwarz und Salam Shalom) wollten dies ändern und bemühen sich seit März 2023 um Räume im Schwabinger Bürgerhaus Seidlvilla für die Ausstellung ‚Nakba – Flucht und Vertreibung der Palästinenser 1948‘. Judith Bernstein hatte mit der damaligen Geschäftsführerin der Seidlvilla eine mündliche Vorabsprache getroffen, die durch die wenig später neu berufene Geschäftsführung allerdings bestätigt bzw. neu verhandelt werden sollte.

Dazu kam es allerdings nicht, weil die eingeschaltete Stadtspitze / das Kulturreferat strikt gegen eine solche Ausstellung in der Seidlvilla war und erst ein befreundeter Anwalt, ein früherer Stadtrat und MdB, unter Berufung auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 20.01.2022 eine Genehmigung für die Ausstellung erreichen konnte. Es kam zu keiner Terminabsprache und der Terrorangriff vom 07. Oktober 2023 brachte vorerst alle Verhandlungen zum Erliegen.

 Nach langen zähen Verhandlungen konnte für Dienstag, 7. Mai 2024, 19:00 Uhr die Eröffnung der vierwöchigen Ausstellung vereinbart werden (siehe anliegenden DIN A5-Flyer).

Vertraglich festgelegt ist, dass das Veranstaltungshaus Seidlvilla die gewohnten Gruppentreffen, Workshops, Kurse usw. auch in den für die Ausstellung vorgesehenen zwei kleineren Räumen im Erdgeschoss durchführen kann. Deshalb ist es ratsam, sich zeitnah telefonisch vor einem geplanten Besuch der Ausstellung innerhalb der üblichen Bürozeiten (Mo.-Fr. 10:00-17:00 Uhr, Tel. 089-33 31 39) zu erkundigen, ob die Räume zugänglich sind.                                                          

Trotz all dieser Einschränkungen würden wir uns sehr freuen, Sie/euch am 7.Mai 2024 um 19:00 Uhr zur Ausstellungseröffnung durch den renommierten Antisemitismusforscher Prof. Wolfgang Benz begrüßen zu können.

 Mit herzlichem Gruß,
Jüdisch-Palästinensische Dialoggruppe, Salam-Shalom e.V., Frauen in Schwarz

 

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Leserbrief v. Abed Khalife zu: Der Krieg in Nahost als "Brandbeschleuniger" (Martin Bernstein, Süddeutsche Zeitung)

An die SZ-Redaktion

Leserbrief zum Artikel „Der Krieg in Nahost als ‚Brandbeschleuniger‘“ vom 16.04.2024 15:13 Uhr

Wörthsee, dem 22.04.2024

Sehr geehrte Damen und Herren der SZ Redaktion,

erneut versucht Herr Bernstein, mit seiner Schlagzeile dem Leser ein falsches Bild zu vermitteln, indem er die in München lebenden, aus „Nahost“ stammenden Bürger, des Judenhasses und Antisemitismus bezichtigt.
Mit der Aussage „Antisemitismus und als ‚Israelkritik‘ verbrämte Hetze gegen den jüdischen Staat beschäftigen in München die Sicherheitsbehörden“ versucht Herr Bernstein Israelkritik mit Judenhass gleichzusetzen. Diese Diffamierung dient lediglich dazu, jegliche Kritik an Israels Völkerrechtsverletzungen, Kriegsverbrechen und Faschismus im Keim zu ersticken und eine sachliche Debatte zu verhindern. Die Einschränkung von Grundrechten wird hierbei billigend in Kauf genommen.

In einem Brief an Staatsministerin Claudia Roth, welcher Ihnen bekannt sein dürfte, beschrieb Shelly Steinberg von der Jüdisch-Palästinensischen-Dialoggruppe-München treffend, dass es beim Antisemitismus „… wie bei jeder Form des Rassismus nicht darum, was gemacht wird, sondern vom wem etwas gemacht wird – nicht das Was, sondern das Wer ist hier entscheidend. Und daher ist der Antisemitismusvorwurf gegen Kritiker der israelischen Politik absurd“ (nachzulesen hier auf der Webseite der JPDG ).

Die im Artikel des Herrn Bernsteins erwähnten Zahlen belegen keineswegs, dass Angriffe vom palästinensischen „Lager“ zu verzeichnen waren. Die zitierte „hohe Emotionalisierung“, welche „Anlass für zahlreiche Versammlungen und Veranstaltungen" war, ist keine Straftat, sondern ein Grundrecht, wird jedoch von Herrn Bernstein dem Absatz der Statistik der Straftaten angehängt, offenbar um den Lesern den Eindruck zu vermitteln, dass seit dem 7.10. Palästinenser vermehrt Juden in München angreifen. Die Hintergründe der Täter bei den von ihm gelisteten Straftaten gegen jüdische Bürger bleiben unerwähnt (rechte Szene?). Straftaten und Hassparolen gegen Palästinenser widmet er keinen Satz. Das Beispiel von Angriffen auf mein Haus, oder der Aufruf zum Völkermord an Palästinensern am Heinrich-Heine-Gymnasium sind ihm nicht unbekannt. Ein professioneller objektiver Bericht, wie man ihn von einer Zeitung Ihres Formats erwartet, hätte antipalästinensischen Rassismus und Straftaten ebenfalls beinhaltet.

Laut einem Brief, welchen 100 jüdische Akademiker unterzeichnet haben, werden nach Angaben der Bundespolizei „die ‚überwiegende Mehrheit‘ der antisemitischen Straftaten - etwa 84 Prozent - von deutschen extremen Rechten begangen“. Es scheint kein Zufall zu sein, dass Herr Bernstein seinen Artikel nur wenige Tage nach dem Erscheinen des offenen Briefs veröffentlicht. Auch, dass Herr Bernstein diesen Brief im Rahmen seines Artikels nicht erwähnt, lässt vermuten, dass er keine objektive Berichterstattung betreffend den wahren Antisemitismus anstrebt.
Dem nicht genug, behauptet Herr Bernstein in seinem Artikel „Judenfeindliche Hetzer nehmen an pro-paläästinensischen Versammlungen teil“, liefert jedoch keinen einzigen Beleg für diese Behauptung.

Anders als in seinem Artikel behauptet, unterscheiden die Akteure auf den Pro-Palästina Demonstrationen stets deutlich zwischen Juden und der israelischen Aggression welcher die Kritik gilt. Auch jüdische und israelische Aktivisten beteiligen sich and den Protesten und kritisieren die israelischen Kriegsverbrechen. Ich frage mich, ob Herr Bernstein diese Juden ebenfalls als Antisemiten einstuft. Ein Beispiel für die deutliche Unterscheidung belegt der Applaus der Demonstranten zu meiner Aussage „Das Schützen jüdischen Lebens in der BRD ist auch unser Anliegen und Verpflichtung als Bürger“. Darf ich Sie fragen, weshalb über diese Demonstration in der SZ nicht berichtet wurde? Dies, obwohl Herr Bernstein sowie die SZ namentlich angesprochen wurden und Herr Bernstein behauptet die Demonstrationen zu beobachten und Videomaterial auszuwerten.

Wie bereits in meinem Brief vom 20.11.2023 geäußert, dienen solche Artikel und Schlagzeilen lediglich dazu, ein hier verbreitetes Stereotyp von Judenhassern zu bedienen. Anti-Völkermord, anti-israelischen-Faschismus sind kein Antisemitismus. Wer das vermischt, verwässert den Kampf gegen wahren Antisemitismus. Das „was“ und nicht das „wer“ ist hierbei entscheidend.

Herr Bernstein äußerte im November „das Existenzrecht (nein, mehr noch: die absolute Notwendigkeit) eines jüdischen Staates Israel“, sei für ihn „unverhandelbar“. In seinem o.g. Artikel betont er erneut „den jüdischen Staat“ und indiziert somit, dass er sich gegen einen demokratischen Staat für alle dort lebenden Menschen (mit gleichen Rechten, religionsunabhängig) positioniert. Dies treibt ihn offenbar an, stets den Slogan „from the river to the sea“ zu thematisieren und als Aufruf zur Vernichtung Israels zu interpretieren. Diese Aussage traf er auch nach meiner Kritik an seiner Schlagzeile „5000 Demonstranten sprechen Israel das Existenzrecht ab“, welche im November ein falsches Bild der Demonstration zeichnete. Auf meinen ausführlichen Leserbrief und meine sachliche Antwort auf seine Beschuldigungen bekam ich leider keine Antwort.

Antisemitisch ist aus meiner Sicht, wer Israels Faschismus und Verbrechen mit Juden gleichsetzt und damit implizit Juden des Völkermords bezichtigt. Israels aktuelle Regierung und Politik repräsentiert nicht die Juden, sondern einen faschistischen, rassistischen, kolonialen Zionismus. Die diversen faschistischen Äußerungen israelischer Minister und Amtsträger sind Ihnen sicherlich nicht unbekannt, werden jedoch nicht thematisiert.Des Weiteren zitiert Herr Bernstein den Innenmister, wonach die „Gruppierung Palästina Spricht“ in sozialen Medien „ungeniert antisemitische Inhalte“ verbreiten würde, führt jedoch kein Beispiel auf. Zu einem seriösen Journalismus, wie man ihn von der SZ erwartet, gehört die Überprüfung der Posts sowie solcher Aussagen, selbst wenn diese von einem Minister stammen. Haben Sie hierbei antisemitische Äußerungen gefunden und entsprechend angezeigt? Mir persönlich ist bisher keine antisemitische Äußerung aufgefallen, ansonsten hätte ich diese unverzüglich zur Anzeige gebracht. Antisemitismus ist nicht nur verwerflich, sondern schadet den Interessen der Palästinenser und ihrem Streben nach Freiheit und Grundrechten.

Die stets wiederholte Diffamierung von Israelkritikern als Antisemiten und Straftäter, kombiniert mit seinen Aussagen und dem Weglassen maßgeblicher Informationen und Fakten, erwecken den Eindruck, dass sich Herr Bernstein schwertut, seine private „nicht verhandelbar[e]“ Meinung zu Israel sowie seine Weltanschauung von seiner Profession als Reporter zu trennen. Seine Meinungen und unverhandelbaren Positionen beeinflussen offensichtlich seine Berichterstattung, welche in der SZ nicht als „Meinung“ oder „Kommentar“ gekennzeichnet ist.

Somit ist Herr Bernstein meines Erachtens nicht für Berichterstattungen zum Thema Nahost oder Antisemitismus geeignet, sofern die SZ einen objektiven Journalismus anstrebt. Schließlich beauftragt man keinen islamischen Imam oder Evangelikalen mit der Berichterstattung über die Queer-Szene in München.Die Artikel des Herrn Bernsteins sehe ich eher als „Brandbeschleuniger“, und zwar für antipalästinensischen Rassismus sowie für den Verfall des objektiven Journalismus in der BRD und zur Kündigung von SZ-Abonnements.

Mit freundlichen Grüßen

Abed Khalifeh

Leserbrief von Judith Bernstein an die SZ: "Die Schande von Berlin“ und „Habt ihr gut geschlafen?“ vom 27. Februar 2024

“Die Schande von Berlin“ und „Habt ihr gut geschlafen?“ vom 27. Februar 2024

Die Berlinale hat gezeigt, wie groß die Kluft zwischen der Politik und der deutschen Bevölkerung ist. Die Kritik, dass der brutale Angriff der Hamas vom 7. Oktober nicht erwähnt wurde, ist berechtigt. Allerdings stimme ich Antonio Guterres zu, dass dieser Angriff nicht im leeren Raum stattgefunden hat. Und genau  davon haben die Regisseure des Films „No other Land“ gesprochen. Die Statements von Yuval Abraham  und Basel Adra könnten im Übrigen in der israelischen Presse nicht veröffentlicht werden, denn bis auf die liberale Zeitung Haaretz wird in den israelischen Medien mit keinem Wort über das Töten und die Zerstörung im Gazastreifen berichtet. Die Mehrheit der Israelis will es auch nicht wissen. Sollen wir uns etwa daran ein Beispiel nehmen, aus Angst vor Antisemitismus? Und wem helfen wir damit? Einem Netanjahu, der nicht nur die Palästinenser, sondern sein eigenes Volk (so wie die Geiseln) opfert, indem er unbedingt den Krieg weiterführen will, um nicht wegen der gegen ihn führenden Prozesse im Gefängnis zu landen?

Die Reaktion des Publikums bei der Berlinale hat gezeigt, dass die Bevölkerung sich nicht mehr den Mund verbieten lassen will. Deshalb sollten die Politiker, die Medien, der Zentralrat der Juden und die Jüdischen Gemeinden eine andere Haltung zur israelischen Politik einnehmen. Ansonsten befürchte ich als Jüdin, dass der tatsächliche Antisemitismus befördert wird.

Judith Bernstein

Antisemitismusvorwurf gegen die Berlinale 2024 - Ein Brief von Shelly Steinberg an Staatsministerin Claudia Roth

Sehr geehrte Frau Roth,

ich wende mich an Sie, da ich sprach- und fassungslos bin angesichts der Reaktionen auf die Reden auf der Berlinale 2024.

Ich selbst bin in Israel geboren und in Deutschland aufgewachsen. Ich habe Judaistik, Jüdische Geschichte und Kultur sowie Kultursoziologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München studiert.
2010 habe ich im Rahmen des IPS (International Parliamentary Scholarship) für den Bundestag ein Praktikum in der Knesset in Jerusalem asolviert.

Seit Jahren ist hier in Deutschland ein äußerst bedenkliches, repressives Vorgehen der Politik gegenüber israelkritischen Stimmen zu sehen. 

Um eine pro-israelische Agenda durchzusetzen, missbrauchen Politiker und weitere öffentliche Institutionen den Begriff Antisemitismus. Diese Diffamierung macht auch vor jüdischen bzw. israelischen Kritikern keinen Halt. Es ist zu beobachten, wie deutsche Politiker sich zu Handlangern der Israellobby machen und dabei geltendes Recht missachten. Meinungsfreiheit ist eines der höchsten demokratischen Güter - doch sobald es um Israel geht, wirft die deutsche Politik rechtsstaatliche Prinzipien über Bord. Zugunsten der Politik Israels wird Menschen das in der Verfassung verbriefte Recht auf Meinungsfreiheit entzogen. Meinungsfreiheit bedeutet aber nicht nur das Recht des Einzelnen auf freie Meinungsäußerung, sonder auch das Recht, sich freiheitlich eine Meinung bilden zu können; mit den permanenten Zensuren missachtet der Staat somit das Recht der Gesellschaft, Zugang zu unterschiedlichen Informationen zu bekommen. Und genau dieses Spektrum an Informationen zu gewährleisten, wäre die Aufgabe der politischen Ebene und nicht - so wie sie es jetzt tut - eine bestimmte Meinung und Direktive vorzugeben und mit verfassungswidrigen Repressionen durchzusetzen.

Antisemitismus ist ganz klar als Hass/Anfeindung gegen Juden aufgrund ihrer bloßen Existenz als Juden definiert. Beim Antisemitismus geht es wie bei jeder Form des Rassismus' nicht darum, was gemacht wird, sondern vom wem etwas gemacht wird - nicht das Was, sondern das Wer ist hier entscheidend. Und daher ist der Antisemitismusvorwurf gegen Kritiker der israelischen Politik absurd. Den Palästinensern und ihren Unterstützern ist es egal, dass die Besatzer und Unterdrücker Juden sind - wären die Besatzer Buddhisten, würden sich die Palästinenser genauso wehren. Es sind doch eher die Deutschen, die mit einer regelrechten Obsession alles verteidigen, was Israel macht, weil es sich dabei um Juden handelt. Es sind die Deutschen, für die das Wer die entscheidende Rolle spielt - und das entspricht ganz klar der Definition von Antisemitismus. 

Das Wort "Jude" ist kein einziges Mal auf der Berlinale gefallen. Dennoch wird hier Antisemitismus herbei fantasiert. Wenn man den Begriff "Genozid" im Bezug auf Israels Vorgehen in Gaza nicht verwenden darf, weil das antisemitisch sei, dann bedeutet das im Umkehrschluß, dass Genozid etwas Jüdisches sei. Es ist eine schiere Unverschämtheit, welches Bild des Judentums von deutschen Politikern hier gezeichnet wird. Es ist nichts Jüdisches, Kinder, Männer und Frauen zu entrechten, zu entwürdigen und umzubringen. Es ist nichts Jüdisches, Land eines anderen Volkes zu rauben und die dortige Bevölkerung zu unterdrücken und auszubeuten. Daher KANN die Kritik an solchen Zuständen gar nicht antisemitisch sein. Wer jedoch angesichts dieser Verbrechen von Antisemitismus spricht, missbraucht diesen Begriff und zeichnet ein widerliches Bild vom Judentum. Gegen eine solche Darstellung des Judentums verwehre ich mich vehement!

Statt in den eigenen Reihen wahren Antisemitismus zu bekämpfen, wird hier gegen jeden Israelkritker geschossen. Ein solches Vorgehen wirkt sich nicht sonderlich förderlich auf die demokratische Ordnung in diesem Land aus.

Es wäre schön, wenn auch einmal andere jüdische Stimmen als die des Zentralrats der Juden Gehör finden würden - denn der Zentralrat vertritt nur die absolute Minderheit der in Deutschland lebenden Jüdinnen und Juden. Der Zentralrat ist kein von den Bürgern gewähltes politisches Organ, daher herrscht bei den Bürgern Unverständnis über die enorme Einflussnahme des Zentralrats auf bestimmte politische Themen. Es ist nicht Aufgabe der deutschen Politiker, sich in Israelbelangen Vorgaben durch den Zentralrat machen zu lassen und diese dann unkritisch umzusetzen.

Ich stehe gerne jederzeit für einen weiteren Austausch zur Verfügung

Mit freundlichen Grüßen,
Shelly Steinberg
Jüdisch-Palästinensische Dialoggruppe München

Redebeitrag Rihm Hamdan auf der AntiSiko-Demo, 17.02.2024 München

(Im unten angehängten YouTube-Link können Sie die Rede von Rihm Hamdan ab Minute 14:40 sehen und hören)

Freunde des Friedens,
Freunde der Freiheit,
Freunde Palästinas.

 Auch dieser Krieg wird nicht zum Frieden führen!
Wieder mal brennt es in Palästina. Jeder Krieg, den der Staat Israel führt, wird damit begründet, dass der jüdische Staat um sein Überleben kämpfen bzw. seine Bürger vor den Raketen- der Hisbollah oder der Hamas schützen müsse. Seit 75 Jahren geht das nun so- also auch vor der Existenz von Hamas und Hisbollah. Es wurden immer Vorwände gefunden, Palästinenser: innen zu bombardieren, einzusperren, zu vertreiben oder als Terroristen zu bezeichnen.

 Israel hat seine Militärstrategien in den letzten Jahrzehnten der Kriege ziemlich perfektioniert und meint, seine Feinde von innen und außen zu kennen, und sie total zu beherrschen. Mit seinen bestens ausgebildeten Soldaten und mit Hilfe der modernsten und tödlichen amerikanischen, deutschen und im Land produzierten Waffen, ist dieser Staat, die mit Abstand stärkste Militärmacht in der Region. Auch nach Meinung israelischer Militärexperten war der jüdische Staat militärisch nie bedroht, er hat seine Feinde militärisch immer beherrscht.

 Wie kommt es, dass dieser Staat, seit mehr als 75 Jahren nach seiner Gründung immer noch Kriege gegen seine Nachbarn führen muss? Sicher war ein Grund die Ablehnung des neu gegründeten Staats durch die Nachbarländer. Inwieweit diese Ablehnung berechtigt war, muss gesondert diskutiert werden. Fakt ist jedoch, dass sich mittlerweile fast alle Nachbarn mit diesem Staat gezwungenermaßen abgefunden haben.
Nun die Frage, warum brennt es wieder in Palästina? Begann es am 07.10.2023?
-  Nein, die Vertreibung von mindestens 750.000 Palästinenser/innen fand bereits vor 75 Jahren statt!
-  Die Zerstörung von über 530 palästinensischen Dörfern fand vor über 75 Jahren statt.
-  Die Ermordung von tausenden von Palästinenser/innen findet ohne Pause seit 75 Jahren statt!
-  Die willkürlichen Verhaftungen von auch minderjährigem Palästinenser/innen finden ebenfalls seit 75 Jahren statt.
-  Die Umsetzungen der Apartheidstrukturen in Palästina findet seit 75 Jahren statt und wird nach und nach extremer! Zur Erinnerung: Apartheid ist ein im Völkerrecht definiertes Verbrechen gegen die Menschlichkeit!
-  Die Schikanen gegenüber Palästinenser/innen finden seit 75 Jahren statt.
-  Die Unterdrückung der Palästinenser/innen findet seit 75 Jahren statt.
-  Die Entmenschlichung der Palästinenser/innen finden seit 75 Jahren statt.
-  Das Ausüben von psychischer als auch physischer Gewalt findet seit 75 Jahren statt. Das Errichten von illegalen Siedlungen findet seit 75 Jahren statt.
-  Die UNO Resolution 194 zur Rückkehr der palästinensischen Flüchtlinge in ihre Heimat wurde vor 75 Jahren beschlossen und ist bis heute nicht erfüllt.

 Seit 75 Jahren finden Kriegsverbrechen und Völkerrechtsverletzungen statt und die Welt schaut zu! Also NEIN, es begann nicht am 07.10.23!

 Sprechen wir nun über die vergangenen 133 Tage:
-  133 Tage: Abschottung von überlebensnotwendigen Mitteln, wie z.B. Wasser, Strom, Treibstoff, medizinischer Versorgung und vieles mehr…
-  133 Tage: Bombardierungen auf Flüchtlingslager, Krankenhäuser genauer gesagt 133 Tage Bombardement auf alles, was sich im Gazastreifen befindet
-  133 Tage: Einsatz von weißem Phosphor
-  133 Tage: 70.000 Verletzte!
-  133 Tage: 30.000 Ermordete- Männer, Frauen und Kinder!
-  133 Tage: Vertreibung von über 90% der Bevölkerung in angeblich sichere Gebiete, um dann dort Zivilisten kollektiv zu ermorden. 

Nochmal um es deutlich zu machen: 4% der Bevölkerung Gazas ist entweder ermordet oder verletzt. 4% der deutschen Bevölkerung entspricht etwa 3,4 Millionen Menschen. Also allen Einwohner/innen Berlins.
Israel ist das jedoch nicht genug. Jetzt will man Rafah, die südlichste Stadt Gazas, in der fast alle Vertriebenen Sicherheit suchen, bombardieren. Unsere Außenministerin Bärbock äußert sich dazu: „Eine humanitäre Katastrophe mit Ansage“ Zitat Ende.
Wir wissen alle, es werden trotzdem keine Maßnahmen gegen diese humanitäre Katastrophe, eingeleitet.
Und somit sichert sich Deutschland mal wieder ein Kapitel im Geschichtsbuch.

 133 Tage Genozid an der palästinensischen Bevölkerung!
Und ich wiederhole mich. Es ist ein Genozid. Kein Konflikt, Kein Krieg, sondern ein Genozid, so wie es Südafrika vor den IGH vorlegte, welcher die Klage und Anhaltspunkte als plausibel anerkennt und die Klage nicht ablehnt.
Jeder und Jede der sich nicht zu 100% gegen diesen Genozid stellt, unter anderem natürlich die unzähligen Politiker/innen und Profiteure, welche sich aktuell unweit im Bayrischen Hof treffen, sind Mittäter und müssen hierfür zur Rechenschaft gezogen werden.

 Fakt ist auch, dass Israel fortwährend seine Militärstrategien perfektioniert und rein gar nichts in Friedensstrategien investiert hat.
Werbepsychologen würden sagen: Krieg, da weiß man, was man hat. Frieden? Nein, der birgt viele unbekannte Gefahren.

 Das ist nicht nur meine Meinung. Das sind die Aussagen der israelischen Regierungsmitglieder, wie auch vom israelischen Präsident Jitzchak Herzog, welcher ebenfalls hier in München empfangen wird.
„Es ist ein ganzes Volk, das verantwortlich ist. Diese Rhetorik über Zivilisten, die angeblich nicht involviert wären, ist absolut unwahr […] und wir werden kämpfen, bis wir ihr Rückgrat brechen“ Zitat Herzog.
So ein Politiker wird also in unserer Stadt empfangen? Schämt euch!

 Inzwischen ist die internationale Kritik an Israel nicht mehr überhörbar. Auch der Westen wird immer mehr gezwungen, die blinde bedingungslose Solidarität zu Israel zu hinterfragen. Vor allem in Deutschland sollte ein Nie Wieder für alle gelten. Unabhängig von Ethnie, Religion oder Sexualität. An diesem Punkt haben die meisten Politiker/innen, ganz vorne voran Olaf Scholz, Annalena Baerbock und Robert Habeck komplett versagt und werden noch Rechenschaft schuldig sein. Auch ihr: schämt euch!
Der Weg zu dem lang ersehnten Frieden in der Region geht nur über die Befreiung Palästinas. Die Besatzung durch Israel und die tägliche Demütigung der Palästinenser/innen seit über 75 Jahren sind die eigentlichen Ursachen für diesen Krieg und auch für die kommenden Kriege.

Nur der Druck auf Israel und die Beendigung der Besatzung kann das Problem lösen. Leider ist es nicht absehbar, dass irgendwer in diesem Land irgendwann Druck auf Israel ausüben könnte. Die Angst ist zu groß.
Das Gegenteil ist der Fall. Trotz seiner menschenverachtenden Besatzungspolitik genießt der jüdische Staat die uneingeschränkte Unterstützung der westlichen Länder. Als Begründung wird angeführt, Israel sei der einzig demokratische Staat in der Region. Uns Palästinenser*innen ist es egal, ob wir von einem demokratischen Staat unterdrückt werden oder von einem diktatorischen, uns ist es egal ob unser Land, unser Wasser und unsere Menschenwürde von einem demokratischen Staat geraubt wird oder von einem diktatorischen.
Es ist an der Zeit, dass der Israel mehr Friedensstrategien mit seinen Nachbarn und weniger Kriegspläne für den Gazastreifen erarbeitet, sonst war dieser Krieg nicht der letzte. Schade um jedes Menschenleben.

 Ich danke jeder und jedem Einzelnen, welche sich mit voller Solidarität hinter palästinensisches Leben und Identität stellen. Wir erleben maximale Repression und Diffamierung durch Politik und Medien. Aber wir lassen uns hiervon nicht einschüchtern. Wir stehen auf der richtigen Seite der Geschichte.

 Freiheit für alle Menschen zwischen Jordan und Mittelmeer.

 Free Palestine!

YouTube-Link zur Rede von Rihm Hamdan:
 Antisiko 17.2.2024 Teil1 Auftaktkundgebung München Stachus Karlsplatz (youtube.com)

 

 


Redebeitrag Shelly Steinberg auf der AntiSiko-Demo, 17.02.2024 München

(Im unten angehängten YouTube-Link können Sie die Rede von Shelly Steinberg ab Minute 26:35 sehen und hören)

Ich bin in Israel geboren und in Deutschland aufgewachsen. Ich habe beide Staatsangehörigkeiten, auf die ich nie stolz war – ich habe mich aber auch noch nie so geniert wie jetzt.

Während Israel Kriegsverbrechen begeht und vor dem internationalen Gerichtshof des Völkermordes angeklagt ist, versichert Deutschland seine uneingeschränkte Solidarität mit Israel und liefert zum Beispiel Schuss- und Panzermunition für über 20 Mio. Euro. Und gleichzeitig werden Gelder an zivilgesellschaftliche palästinensische Organisationen gestrichen – obwohl deren Integrität untersucht und keine Verbindungen zu Terrororganisationen festgestellt wurden.

Deutschland verweist immer wieder auf seine geschichtliche Verantwortung und Freundschaft gegenüber Israel. Doch was für eine Freundschaft soll das denn sein? Das ist, wie wenn jemand seinem betrunkenen Freund auch noch die Autoschlüssel in die Hand drückt. Die Politik Deutschlands geht davon aus, dass es seine Schuld durch blinde Unterstützung Israels abgelten kann. Doch ein Unrecht lässt sich nicht mit einem Anderen wiedergut- oder ungeschehen machen.
Dasselbe gilt auch für die jetzige Situation in Gaza. Das Massaker vom 07. Oktober rechtfertigt die Gräueltaten in Gaza nicht.
Während die überwältigende Mehrheit der Deutschen das Vorgehen Israels in Gaza verurteilt, hat die deutsche Politik den Vorwurf des Völkermordes gegenüber Israel abgewiesen - und das, noch bevor der Internationale Gerichtshof ein entsprechendes Urteil verkündet hat. Damit wird im Grunde impliziert, dass Deutschland ein solches Urteil nicht anerkennen, sondern sich darüber hinaus als Drittpartei auf die Seite Israels stellen wird.
Deutschland verabschiedet sich somit vom Internationalen Recht. Doch muss den deutschen Politikern klar sein, dass nicht nur derjenige, der Völkermord begeht, schuldig ist; auch diejenigen, die ihn nicht verhindern bzw. sogar unterstützen, machen sich mitschuldig und werden mit Konsequenzen zu rechnen haben. Ist es mit der Israelsolidarität in der deutschen Politik also schon so weit, dass man sich mehr Israel gegenüber verpflichtet fühlt als dem internationalen Recht oder der eigenen Bevölkerung?
Und nur zum Verständnis: Es ist naiv und illusorisch zu glauben, dass Israels Krieg in Gaza mit dem 7. Oktober, der Zerschlagung der Hamas, der Befreiung der Geiseln oder mit Selbstverteidigung zu tun hat. Mittlerweile machen viele hochrangige israelische Politiker gar keinen Hehl mehr daraus, dass das wirkliche Ziel in der Vertreibung der Palästinenser aus und der Ansiedlung von Juden im Gazastreifen besteht. Das jetzige Vorgehen Israels in Rafah lässt gar keinen Zweifel mehr zu. Zudem dient dieser Krieg Netanyahu dazu, seine Machtposition in Israel zu erhalten und sich vor den gegen ihn geführten Prozessen zu drücken. Daher hat er überhaupt gar kein Interesse daran, den Krieg zeitnah zu beenden.

Es wäre zu wünschen, dass die Empörung deutscher Politiker über Israels Vorgehen gegen die Palästinenser genauso groß wäre wie die Empörung über Sätze wie „From the River to the Sea“. Es wäre schön, wenn deutsche Politiker sich für diplomatische und v.a. faire Lösungsansätze in Israel/Palästina einsetzen würden, statt legitime Kritik und Proteste gegen die Politik Israels als antisemitisch zu diffamieren und zu kriminalisieren.
Seit Jahren werden israelkritische Akteure mit hanebüchenen Anschuldigungen wie Antisemitismus überzogen und müssen mit gewaltigen Repressionen rechnen. Wie oft noch müssen deutsche Bürger Politiker vor das Gericht zerren, damit diese sich einfach an geltendes Recht halten?

Zugunsten der Politik Israels wird deutschen Bürgern das in der deutschen Verfassung verbriefte Recht auf Meinungsfreiheit entzogen. Der unsägliche und juristisch mehr als nur fragwürdige Anti-BDS-Beschluss der Stadt München von 2017 hat eine Ära der politischen Repressionen eingeleitet. Gegen diesen Beschluss, der es Bürgern untersagt, sich in öffentlichen Räumen kritisch zur Politik Israels zu äußern, haben Münchner Bürger geklagt. Das Bundesverwaltungsgericht Leipzig hat im Januar 2022 festgestellt, dass dieser Beschluss rechtswidrig ist und gegen die Verfassung verstößt, auf die OB Reiter und seine Kollegen geschworen haben. Die permanente Missachtung der Verfassung stellt daher auch einen Bruch ihres Amtseides dar. Doch wie hat OB Reiter auf das Urteil reagiert? Er sagte: „Dann muss man die Gesetze ändern“.
Indem bestimmte Veranstaltungen von der Stadt untersagt werden, verletzt sie nicht nur das Recht Einzelner auf freie Meinungsäußerung, sondern das Recht der gesamten Münchner Gesellschaft, sich freiheitlich eine Meinung bilden zu können. Aber genau diesen Prozess der freien Meinungsbildung zu unterstützen, ist die Stadt gesetzlich verpflichtet.

Der Stadtrat - allen voran Herr OB Reiter - setzt jedoch nach wie vor alles daran, ihm unliebsame Meinungen und Akteure aus dem öffentlichen Diskurs zu verbannen. Es wird so lange Druck auf die Leitungen von öffentlichen Räumen ausgeübt, z.B. mit Drohung des Entzugs finanzieller Unterstützung, bis diese im letzten Moment, teilweise nur ein paar Stunden vor Veranstaltungsbeginn, die Mietverträge für israelkritische Veranstaltungen aufkündigen. Nur durch einstweilige Verfügungen können die Veranstaltungen dennoch stattfinden. Beim letzten Mal – bei einem Vortrag des israelischen Historikers Prof. Ilan Pape – verfasste die Stadt daraufhin ein Statement, in dem sie zusammengefasst erklärte, dass sie es bedaure, sich an geltendes Recht halten zu müssen.
Und immer lautet der Vorwurf gegen die Veranstaltungsorganisatoren „Antisemitismus“; mit diesem inflationär missbrauchten Begriff führt die Stadt eine regelrechte Kampagne gegen israelkritische Bürger. Nicht einmal Jüdinnen und Juden bzw. jüdische Israelis sind von diesen Diffamierungen ausgenommen.
ABER, Herr OB Reiter: auch der Kampf gegen Antisemitismus hat in einem rechtsstaatlichen Rahmen stattzufinden. Politische Verfolgung und Verbannung aus der Öffentlichkeit, Auftritts- und Arbeitsverbote hatten wir schon einmal hier in dieser Stadt. Und wo der Gesetzesbruch zu offensichtlich wäre, da werden einfach öffentliche Gelder gestrichen, um so die Kritiker aus dem öffentlichen Diskurs zu verbannen. Nur zur Info: Auch wir zahlen Steuern! Man kann sich nicht solcher Maßnahmen bedienen und behaupten, sie dienten dem Kampf gegen Antisemitismus. Im Gegenteil, genau mit diesen Repressionen wird eine antisemitismusfördernde Atmosphäre geschaffen. Es ist darüber hinaus eine unfassbare Schande, wie das Gedenken an die Opfer des Holocausts für eine pro-israelische Agenda missbraucht wird. Wer den Antisemitismusvorwurf dermaßen instrumentalisiert, scheint keine Argumente zu haben.

Genauso paradox ist es auch, hier gegen rechte Parteien auf die Straße zu gehen, während gleichzeitig der rechtsradikalen Regierung Israels, deren Minister sich teilweise selbst dazu bekennen, Faschisten zu sein, uneingeschränkte Solidarität zugesagt wird. Damit unterstützt Deutschland aber nicht den israelischen Staat, sondern lediglich dessen rechtsradikale Regierung, die nicht nur gegen die Palästinenser, sondern auch gegen jüdische israelische Demokraten vorgeht, und versucht, eine rechte Diktatur in Israel zu etablieren.

In der deutschen Politik hat sich eine Mentalität breit gemacht, die auf Konfrontation und Krieg setzt und Diplomatie als Schwäche ansieht, was aber auch nicht sonderlich verwunderlich ist, wenn man bedenkt, dass Außenministerin Baerbock – die ranghöchste Diplomatin Deutschlands – keinen Funken Diplomatie in sich trägt. Auch ihre jetzigen Forderungen nach Flucht- bzw. Schutzkorridoren für die Menschen in Rafah ändern daran nichts mehr – diese Forderungen sind schier lächerlich, wenn man sich die katastrophalen Zustände und bisherigen Entwicklungen in Gaza anschaut.

Deutsche Politiker scheinen sich als Handlanger pro-israelischer Lobbyisten zu verstehen. In Israelbelangen folgt die deutsche Politik kritiklos den Direktiven des Zentralrats der Juden, der sich wohl als Botschaft Israels definiert.
Nur die Minderheit der Juden in Deutschland wird vom Zentralrat bzw. den jüdischen Gemeinden vertreten. Dennoch finden jüdische Stimmen, die von der des Zentralrats und Frau Knobloch abweichen, kein Gehör – im Gegenteil, auch sie werden als antisemitisch diffamiert und müssen mit Repressionen rechnen.

Außenministerin Baerbock sagte einmal im Bezug auf ihre Versprechen an die Ukraine „No matter what the German voters think“ – diese Auffassung beschreibt leider mittlerweile die gesamte deutsche Politik – besonders offensichtlich jedoch im Hinblick auf die Politik Israels. Man wähnt sich in vermeintlicher Sicherheit gegen den Antisemitismusvorwurf, wenn man blind die Politik Israels unterstützt. Damit macht es sich Deutschland aber sehr leicht und merkt dabei nicht, wie es selbst immer mehr den Boden der Rechtsstaatlichkeit verliert.
Die Situation im Nahen Osten wäre nie so weit gekommen, wenn Israel klare Grenzen aufgezeigt worden wären. Wo liegt denn aber für deutsche Politiker die Grenze? Deutschland trägt eine große Mitverantwortung für die Verbrechen an den Palästinensern, indem es alles, was Israel tut, rechtfertigt, wenn nicht sogar unterstützt. Dagegen müssen wir vorgehen.

Denn – wie Bertold Brecht es einmal gesagt hat: „Wenn Unrecht zu Recht wird, wird Widerstand zu Pflicht!“

Vielen Dank!

YouTube-Link zur Rede von Shelly Steinberg:
https://www.youtube.com/watch?v=vWTsNas5N7Q&t=2300s

Brief an das Auswärtige Amt

von Judith Bernstein

Sehr geehrte Damen und Herren,

seit mehreren Jahren haben mein verstorbener Mann Dr. Reiner Bernstein und ich immer wieder Kontakt zum Auswärtigen Amt gehabt (anfangs zu Frau Misera-Lang und zum Schluss zu Herrn Dr. Ernst).

Die letzten Nachrichten aus Israel und Palästina  bezüglich des Krieges mit Hamas, aber auch aus der Westbank und den gemischten Orten in Israel deuten darauf hin, dass die jetzige  israelische Regierung beabsichtigt, das ganze Gebiet „palästinenserfrei“ zu machen. Mein Vater stammte aus dem ersten „judenfreien“ Ort in Hessen (Gelnhausen), ich weiß daher was das bedeutet. Leider gewinne ich den Eindruck, dass man in Deutschland die Situation nicht richtig einschätzt. Wir stehen vor einer schrecklichen Katastrophe, die wirklich zu einem 3. Weltkrieg führen kann. Die Reaktionen in der gesamten muslimischen Welt und auch bei uns sehen wir schon jetzt.
Israel hätte einen ganz anderen Weg gehen können, wie ich ihn in meinem Beitrag versucht habe darzustellen:

https://www.jpdg.de/meldungen/2023/10/17/eine-verpasste-chance-meine-gedanken-zum-krieg-zwischen-israel-und-hamas

Ich mache mir keine Sorgen um mich, aber ich mache mir Sorgen um die Zukunft meiner Kinder und Enkelkinder genauso wie um die Zukunft derer, die in Israel und Palästina leben.

Die einseitige europäische und amerikanische Politik in Bezug auf Israel-Palästina ist gescheitert und trägt eher zur Eskalation des Konflikts bei. Warum findet bei uns kein Umdenken statt? Ich höre schon jetzt Stimmen unter der Bevölkerung, die warnen vor einer neuen Fluchtkatastrophe aus dem Gazastreifen, die sich auf dem Weg nach Deutschland macht.

Nur eine ehrliche Auseinandersetzung mit dem Thema, d.h. die richtige Lehre aus der deutschen Geschichte zu ziehen und nicht die üblichen Floskeln von Staatsräson, Solidarität mit Israel (mit dem „Musterdemokraten“ Netanyahu?) könnten noch eine Katastrophe verhindern.

Wie es heißt, beabsichtigt die israelische Regierung, die Ansiedelung der Bevölkerung aus Gaza im Sinai:

https://www.972mag.com/intelligence-ministry-gaza-population-transfer/

Ich bitte Sie, dies um jeden Preis zu verhindern! Es wäre eine Katastrophe für die Bevölkerung von Gaza, die seit 75 Jahren immer wieder entwurzelt wurde (wann hören sie endlich auf, Flüchtlinge zu sein? Welche Zukunft haben ihre Kinder?). Ich verurteile den brutalen Angriff der Hamas, der auch der eigenen Bevölkerung geschadet hat. Aber Netanyahu und seine rechte Regierung gefährden nicht nur die eigene Bevölkerung, sondern auch die Juden weltweit. 

Die Fehler, die Israel mit Hilfe des Westens begangen hat, habe ich in meinem Beitrag niedergeschrieben.

Für eine Antwort wäre ich Ihnen sehr verbunden.

Mit freundlichen Grüßen

Judith Bernstein

www.jpdg.de

Bundeskanzler Olaf Scholz, Ihre Aufgabe ist es, den Zerstörungsfeldzug zu stoppen

von Amira Hass
Haaretz, 16. Oktober 2023 (mit einem Übersetzungsprogramm aus dem Hebräischen übersetzt)

Bundeskanzler Olaf Scholz sagte am vergangenen Donnerstag: „Das Leid und die Not der Zivilbevölkerung im Gazastreifen werden nur noch zunehmen. Auch dafür ist die Hamas verantwortlich.“ Aber gibt es eine Grenze für dieses zunehmende Leid, wenn man bedenkt, dass Sie und Ihre Kollegen im Westen Israel uneingeschränkt unterstützt haben?
Werden Sie es hinnehmen, dass 2.000 palästinensische Kinder getötet werden? Sind 80.000 ältere Menschen, die möglicherweise an Dehydrierung gestorben wären, wenn die Wasserversorgung aus Israel nicht erneuert worden wäre, in Ihren Augen eine legitime Zunahme des Leidens?
Sie sagten auch: „Unsere eigene Geschichte, unsere Verantwortung, die sich aus dem Holocaust ergibt, macht es für uns zu einer ewigen Aufgabe, für die Existenz und Sicherheit des Staates Israel einzutreten.“ Aber Herr Scholz, es gibt einen Widerspruch zwischen diesem Satz und dem oben zitierten.
„Das Leid und die Not werden zunehmen“ ist ein Blankoscheck für ein verwundetes, verletztes Israel, das hemmungslos vernichten, zerstören und töten darf, und riskiert, uns alle in einen regionalen Krieg zu verwickeln, wenn nicht sogar in einen dritten Weltkrieg, der auch Israels Leben gefährden würde, seine Sicherheit und Existenz. Wohingegen „Verantwortung, die sich aus dem Holocaust ergibt“, bedeutet, alles zu tun, um einen Krieg zu verhindern, der in einem endlosen Kreislauf zu Katastrophen führt, die zu Kriegen führen, die das Leid vergrößern.
Das habe ich von meinem Vater gelernt, einem Überlebenden der deutschen Viehwaggons bereits 1992 sagte er mir jedes Mal, wenn ich aus Gaza mit Berichten über die Unterdrückung seiner Bewohner durch Israel zurückkam: „Es stimmt, das ist kein Völkermord, wie wir ihn erlebt haben, aber für uns endete er nach fünf oder sechs Jahren. Für die Palästinenser dauert das Leid seit Jahrzehnten an.“ Es ist eine andauernde Nakba.
Ihr Deutschen habt Eure Verantwortung, die sich „aus dem Holocaust“ ergibt – also aus der Ermordung unter anderem der Familien meiner Eltern und dem Leid der Überlebenden – längst verraten. Sie haben sie verraten, indem Sie ein Israel vorbehaltlos unterstützt haben, das besetzt, kolonisiert, den Menschen Wasser entzieht, Land stiehlt, zwei Millionen Menschen in Gaza in einem überfüllten Käfig einsperrt, Häuser zerstört, ganze Gemeinden aus ihren Häusern vertreibt und Siedlergewalt fördert.
Und das alles geschah unter der Schirmherrschaft eines sogenannten Friedensabkommens, dem Sie und andere westliche Führer zugestimmt haben. Sie haben zugelassen, dass Israel im Widerspruch zu diesem Abkommen in seiner europäischen Interpretation handelt – als Weg zur Gründung eines palästinensischen Staates in den von Israel 1967 besetzten Gebieten, den viele Palästinenser gerade deshalb unterstützten, weil sie weiteres Leid und Blutvergießen verhindern wollten.
Es gibt genügend Diplomaten und Mitarbeiter von Hilfsorganisationen, die darüber berichtet haben, wie Hunderttausende junge Palästinenser unter der arroganten Unterdrückung durch Israel und der willkürlichen Tötung von Zivilisten jede Hoffnung und jeden Sinn ihres Lebens verloren haben. Palästinensische Menschenrechtsaktivisten haben immer wieder gewarnt, dass Israels Politik nur zu einem Gewaltausbruch unvorstellbaren Ausmaßes führen könne. Auch israelische und jüdische Friedensaktivisten haben Sie gewarnt.
Aber Sie sind Ihrem Weg treu geblieben und haben Israel die Botschaft übermittelt, dass alles in Ordnung sei – dass niemand es bestrafen oder den Israelis durch energische diplomatische und politische Schritte beibringen wird, dass es mit der der Besatzung keine Normalität geben kann. Und dann bezichtigten Sie Israels Kritiker des Antisemitismus.

NEIN, diese Kolumne ist keine Rechtfertigung für die Mord- und Sadismusorgie, die die bewaffneten Hamas-Männer begangen haben. Es ist auch keine Rechtfertigung für die schadenfrohen Reaktionen einiger Palästinenser und die Weigerung anderer, sich mit den in ihrem Namen begangenen Gräueltaten auseinanderzusetzen.
Vielmehr ist es ein Aufruf an Sie, die aktuelle Kampagne des Todes und der Zerstörung zu stoppen, bevor sie eine weitere Katastrophe über Millionen von Israelis, Palästinenser, Libanesen und vielleicht sogar Bewohner anderer Länder in der Region bringt.

EINE VERPASSTE CHANCE - Meine Gedanken zum Krieg zwischen Israel und Hamas

von Judith Bernstein

„Dem Brith Schalom schwebt ein binationales Palästina vor, in welchem beide Völker in völliger Gleichberechtigung leben, beide als gleich starke Faktoren das Schicksal des Landes bestimmend, ohne Rücksicht darauf, welches der beiden Völker an Zahl überragt. Ebenso wie die wohlerworbenen Rechte der Araber nicht um Haaresbreite verkürzt werden dürfen, ebenso muss das Recht der Juden anerkannt werden, sich in ihrem alten Heimatlande ungestört nach ihrer nationalen Eigenart zu entwickeln und eine möglichst große Zahl ihrer Brüder an dieser Entwicklung teilnehmen zu lassen.“, 1929.*

 (*Das Zitat ist dem Buch meines verstorbenen Mannes Reiner Bernstein „Wie alle Völker...? Israel und Palästina als Problem der internationalen Diplomatie“ entnommen.)

 Dieses Manifest, das bereits 1929 verfasst wurde, wäre die Chance für die Juden, im Nahen Osten anzukommen. Leider haben die Juden aber es vorgezogen, statt einen gemeinsamen Staat mit der dort ansässigen Bevölkerung zu gründen, ihren Staat mit Gewalt zu erobern. War es wirklich notwendig, die palästinensischen Orte zu zerstören und die Bevölkerung zu vertreiben?  So begann für die Palästinenser die bis heute anhaltende Nakba; damit haben Ben-Gurion und seine Regierung es in Kauf genommen, dass Israel immer ein Fremdkörper in der Region bleiben würde. Das Schicksal der vertriebenen Palästinenser hat niemanden nach 1948 interessiert.

 Auch Persönlichkeiten wie Albert Einstein und Hannah Arendt waren skeptisch. Albert Einstein: „Frieden kann nicht mit Gewalt aufrechterhalten werden; er kann nur durch Verständnis erreicht werden. Nicht Herkunft oder Religion sollte unser Sein und unser Leben bestimmen, sondern allein die Vernunft, die Toleranz und die Verantwortung füreinander!“
Hannah Arendt plädierte für einen jüdischen Staat im Rahmen eines föderativen, multiethnischen Konstrukts. Nur so, glaubte sie, konnte die jüdische Nation Teil der Nationen der Welt werden.

Die Zustimmung der Weltgemeinschaft zur Gründung des neuen Staates ging auf das Versagen der Länder zurück, die Juden aus der Barbarei der Nazis zu befreien. Auch sah der Westen Israel als sein Bollwerk in der Region.

Eine weitere Chance für Israel wäre die Niederlage der arabischen Staaten nach 1967 gewesen. Es war diesmal Golda Meir, die nicht bereit war, mit den besiegten Staaten Jordanien und Ägypten über einen eigenständigen palästinensischen Staat zu verhandeln.
Der Erste, der verstanden hat, dass der Konflikt nicht mit Gewalt zu lösen war, war Yitzhak Rabin (der bestimmt kein Linker war). Dafür musste er mit seinem Leben bezahlen; ihm wurde vorgeworfen, „er kümmere sich nicht um sein Land“.

Zu Hamas: Israel hat Hamas als Konkurrenz zur PLO aufgebaut, um die palästinensische Bevölkerung zu spalten. Für Netanyahu war immer klar, dass er nie mit der Hamas über einen Frieden verhandeln würde. Er befürchtete jedoch, dass der Westen ihn evtl. zu einem Frieden mit der PLO zwingen würde. Da er die Hamas gebraucht hat und auch heute noch braucht, hat er sie nach keinem Gazakrieg vernichtet.
Im Gegensatz zu vielen Palästina-Anhängern in Deutschland wollen die Palästinenser vor Ort weder die Hamas noch die PLO - sie wollen in Frieden und Freiheit leben. Vor allem die jungen Menschen, die keine Zukunft für sich sehen und aus den sozialen Medien entnehmen, wie andere junge Menschen leben, wünschen sich nichts anderes als wie alle Jugendliche in der Welt zu leben.

Die Hamas hat in ihrer letzten gewaltätigen und brutalen Aktion vom 07.10.23 genau die Orte zerstört und deren Einwohner ermordet bzw. verschleppt, die gegen die Politik ihrer Regierung demonstriert haben und zum großen Teil zum Friedenslager gehörten. Bis zur Abriegelung des Gazastreifens gab es von ihnen sogar Unterstützung für die Bewohner Gazas. Viele der Verwandten der Ermordeten und Verschleppten beschuldigen die eigene Regierung für den Tod und die Geiselhaft ihrer Angehörigen verantwortlich zu sein.
Hamas hält die palästinenesiche Bevölkerung als Geisel genau wie die israelische Regierung es mit ihrer Bevölkerung tut. Der Westen hat es versäumt, die Bevölkerungen auf beiden Seiten und nicht ihre korrupten Regierungen zu unterstützen.

Warum hat der Westen nicht gegen die Gewalt der Siedler protestiert, die jede Form von zusammenleben verhindert? Ist das die Staatsräson, von der immer wieder die Rede ist? Ich höre zwar, dass die deutsche und europäische Politik versagt hat, aber die deutschen Politiker stellen sich wieder auf die Seite Israels, auf die Seite des Mannes, gegen den wöchentlich demonstriert wird. Warum eigentlich? Somit verhindert der Westen eine Lösung für alle dort lebenden Völker.
Auch das Abraham-Abkommen, auf das die Amerikaner so stolz sind, war kein Abkommen zwischen den Bevölkerungen, sondern zwischen Despoten und der korrupten israelischen Regierung. Wieder einmal hat der Westen die falschen Kräfte unterstützt. So hat er verhindert, dass Israel im Nahen Osten ankommt. Eine Tragödie für Israel!
Israel befand sich zwar im Nahen Osten, hat aber in seinem „way of life“ immer den USA und Europa nachgeahmt. Wenn Israel im Nahen Osten ankommen will,  muss es sich mit seinen Nachbarn und nicht mit Amerika oder Europa verständigen.

Und nun zu Deutschland:
Was heißt Solidarität mit Israel - mit welchem Israel? Das Israel von Netanyahu, das mit den Siedlern in der Westbank das vollendet, was 1948 begann – die Säuberung der palästinensischen Gebiete, oder mit den Friedensgruppen?
Wieso wird gegen Antisemitismus gekämpft, nicht aber gegen Antiislamismus – ein Phänomen, das in Deutschland viel weiterverbreitet ist.

 Warum wurden wir, die wir uns für die Gleichstellung der Palästinenser einsetzen – wir, die sehen, dass nur so auch Israel existieren kann - bekämpft? Warum haben die Juden in Deutschland, denen es so gut geht wie nie zuvor, jede Regierung Israels und nicht die Kräfte in Israel, die um die Zukunft dieses Landes kämpfen, unterstützt?
Warum durfte ich seit Jahren nicht über meine Geburtsstadt Jerusalem sprechen? Warum sollte mein Mann wegen seiner vorsichtigen Kritik an der Politik Israels mundtot gemacht werden? (siehe sein letztes Buch „Allen Anfeindungen zum Trotz“).

Mit genau dieser Politik haben Deutschland und der Westen dafür gesorgt, dass die Zukunft Israels im Nahen Osten immer unsicher bleiben wird und wir Juden wieder einmal als der  „Ewige Jude“ abgestempelt werden.

 

Judith Bernsteins Rede beim Frankfurter Verwaltungsgericht am 04.05.2023

Leider konnte Judith Bernstein krankheitsbedingt nicht persönlich an der mündlichen Verhandlung im Frankfurter Verwaltungsgericht teilnehmen, ließ aber folgenden Text von ihrer Tochter, Shelly Steinberg, vorlesen:

 Sehr geehrte Vorsitzende, sehr geehrte Damen und Herren,

aufgrund meiner Krebserkrankung ist es mir leider gesundheitlich nicht möglich, persönlich hier zu sein. Daher freut es mich umso mehr, dass ich - vertreten durch meinen Rechtsanwalt Ahmed Abed und meine Tochter Shelly Steinberg - dennoch die Möglichkeit habe, mich zu den Sachverhalten zu äußern.

Ich bin 1945 in Jerusalem geboren und aufgewachsen. Meine Eltern stammten aus Deutschland und waren 1935 vor dem Naziregime geflohen. Die Eltern und weitere Verwandte meiner Mutter wurden in Auschwitz ermordet; ähnlich erging es der Familie meines Vaters. Zwar waren meine Eltern nicht in der Lage, direkt über diese Greueltaten zu reden, aber eines war immer klar: Rassismus hatte bei uns zu Hause absolut keinen Platz. Und so war mir schon klein auf die Ungleichbehandlung von Juden und Palästinensern im damaligen Palästina unverständlich.
Betrachtet man meine Familiengeschichte, machen einen die Antisemitismusvorwürfe, die Herr Becker schon mehrfach öffentlich über mich geäußert hat, nur sprachlos. Mich in die Nähe des Mörders von Halle und desNS-Antisemitismus zu rücken, ist an Geschmacklosigkeit und fehlendem Anstand nicht zu überbieten.

Herr Becker verwendet den Antisemitismusvorwurf als Druckmittel, seine pro-israelische Agenda durchzusetzen und ihm unliebsame Personen aus dem öffentlichen Leben und Diskurs zu verbannen bzw. mundtot zu machen. Das hat er auch im Jahr 2019 versucht, als die Titania wegen der Drohung von Becker, der damals Bürgermeister von Frankfurt war, den Raum kündigte für die Veranstaltung „Meinungsfreiheit statt Zensur“, die genau das kritisieren wollte. Das ist Zensur statt Meinungsfreiheit par excellence. Die vielen Organisationen, die mich eingeladen haben wurden gleich mit beleidigt, zum Beispiel: attac, IPPNW, Club Voltaire.
Den Beweis für seine Anschuldigungen bleibt Herr Becker jedoch immer schuldig. Sein Vorgehen und seine Vorwürfe gegen mich haben dazu geführt, dass ich von Veranstaltungen ausgeladen wurde, Veranstaltungen wegen meiner geplanten Teilnahme gar nicht erst stattfinden konnten und weitere Veranstaltungen (sei es auch ohne mich) aus Angst der Veranstalter vor der Streichung öffentlicher Gelder gar nicht erst umgesetzt wurden.

Für Herrn Becker spielt das Grundrecht auf Meinungsfreiheit scheinbar keine Rolle – er war maßgeblich daran beteiligt, dass mein Recht auf freie Meinungsäußerung ausgesetzt wurde. Meinungsfreiheit bedeutet aber nicht nur, dass jeder Einzelne frei seine Meinung äußern darf und v.a. die Möglichkeit dazu hat; Meinungsfreiheit bedeutet darüber hinaus auch, dass jeder das Recht hat, sich in erster Linie eine Meinung bilden zu können. Dieses Rechts beraubt Herr Becker die Gesellschaft, indem er unter Androhung von Konsequenzen aus seinem Amt heraus eine Zensur des öffentlichen Diskurses bezüglich der politischen Situation in Israel vornimmt.
Dass Herr Becker sich über sämtliche juristische Maßgaben, die seine Ämter mit sich bringen hinwegsetzt, zeigt auch ein Beispiel aus der Stadtverordnetenversammlung, in der über ein Verbot von Veranstaltungen mit Bezug auf BDS abgestimmt werden sollte. Dort hat Herr Becker auf Anfrage des Stadtverordneten Schulz von der FDP angegeben, er hätte sich vom Rechtsrat der Stadt beraten lassen, welcher die Verfassungskonformität seines geplanten Verbots bestätigt hätte. Eine solche Bestätigung lag der Stadtverordnetenversammlung jedoch nie vor. Was auch verwunderlich gewesen wäre, denn spätestens das Urteil vom Bundesverwaltungsgericht in Leizpig von Januar 2022 legt ganz klar die Verfassungswidrigkeit solcher Verbote dar. Öffentlichen Äußerungen Herrn Beckers zufolge hat er jedoch nicht vor, dieses Urteil zu respektieren, sondern treibt weiter seine verfassungswidrigen Maßnahmen gegen Kritiker der israelischen Politik voran.
Ein solches Vorgehen mag in der Lobbyarbeit Gang und Gebe sein – ist meiner Meinung nach jedoch nicht mit demokratischen, rechtsstaatlichen und verfassungsrechtlichen Werten vereinbar und Herrn Beckers Ämtern unwürdig – innerhalb derer er auf die Verfassung geschworen hat.

Zum Allgemeinen Verständnis möchte ich noch kurz anmerken:
Es ist nichts Jüdisches daran,
-          ein ganzes Volk zu vertreiben
-          eine Flüchtlingsbevölkerung zu schaffen,
-          Palästinenser und Palästinenserinnen zu exekutieren,
-          Millionen von Menschen militärisch zu besetzen,
-          Häuser zu zerstören,
-          Bäume zu entwurzeln,
-          Journalisten gezielt zu ermorden,
-          Palästinenserinnen und Palästinenser willkürlich zu verhaften – darunter auch viele Kinder,
-          Allgemein Menschen ihrer Rechte und Würde zu berauben.
Daher kann Kritik an diesen Zuständen auch nicht als antisemitisch gewertet werden. Wie bereits erwähnt, bleiben Herr Becker und seine Mitstreiter jegliche Beweise zu ihren Behauptungen und Diffamierungen schuldig.

Vielmehr hat der wissenschaftliche Dienst des Bundestages in einem Dossier klar dargelegt, dass Kritik an der Politik Israels und somit auch die BDS- Bewegung nicht antisemitisch sind.

Auf welchen sachlichen und fachlichen Grundlagen basiert Herr Becker eigentlich seine Anschuldigungen? Wissenschaftliche Belege liegen bis dato nicht vor.

Für Herrn Becker scheint Israel einen Kampf für das Judentum zu führen – ich als aus Israel stammende Jüdin verwehre mich jedoch vehement gegen eine solche Interpretation des Judentums wie Herr Becker sie in Deutschland propagiert. Herr Becker merkt dabei gar nicht, was für eine Verzerrung des Judentums er vornimmt und den Juden auf lange Sicht dabei schadet. Seine permanenten Forderungen nach Verboten ihm unliebsamer Veranstaltungen und Meinungsäußerungen fördern eher den Antisemitismus als dass sie ihn bekämpfen. Im Gegenteil: Auch der Kampf gegen Antisemitismus hat im Rahmen verfassungsrechtlicher Grundlagen stattzufinden.
Leider führt Herrn Beckers Vorgehen jedoch dazu, dass wirklicher Antisemitismus nicht mehr als solcher erkannt wird.
Herr Becker unterstellt, dass BDS sich nur gegen Israels Politik richten würde, weil es sich bei den Besatzern um Juden handeln würde. Jedoch ist genau das Gegenteil der Fall – uns ist es egal, WER die Besatzer sind. Vielmehr ist es doch Herr Becker, der bei Israel andere Massstäbe anwendet als anderen Ländern gegenüber. Vielmehr ist es doch Herr Becker, der ein eher problematisches Verhältnis zu und Verständnis von Juden hat. Ich frage mich: Sind denn aus seiner Sicht auch die vielen Israelis, die derzeit gegen die Politik ihrer Regierung auf die Straße gehen, alles Antisemiten? Möchte er am liebsten auch ihnen das Recht auf Meinungsäußerung verwehren?

Herr Becker und die Stadt Frankfurt haben eine immer noch öffentlich einsehbare Pressemitteilung an hunderte Journalisten rausgegeben, in der ich als judenfeindlich verleumdet werde und in die Nähe es antisemitischen Mörders von Halle und des NS-Antisemitismus gerückt werde. Ich als Jüdin, deren Familie in Ausschwitz umgebracht wurde, werde von einem deutschen Antisemitismusbeauftragten, der nie in seinem Leben Antisemitismus erlebt hat, am Sprechen gehindert. Wegen meiner geplanten Veranstaltungsteilnahme sollten derTitania öffentliche Zuschüsse gestrichen werden. Es ist doch geradezu absurd, zu behaupten, gegen Antisemitismus zu kämpfen, wenn man gleichzeitig Juden in Deutschland ihrer Grundrechte beraubt.

Es gibt für mich keine schlimmere Beleidigung und ich erwarte eine Entschuldigung von der Stadt Frankfurt!

Vielen Dank.

Judith Bernstein vs. Stadt Frankfurt - Einschränkung der Meinungsfreiheit und Antisemitismusvorwurf nicht rechtmäßig!

Am 04.05.2023 fand der Prozess Judith Bernstein vs. Stadt Frankfurt am Frankfurter Verwaltungsgericht statt. Das Gericht hat zugunsten von Judith Bernstein geurteilt - hier der Text der entsprechenden Pressemitteilung:

Pressemitteilung vom 05.05.2023 Judith Bernstein gegen die Stadt Frankfurt vor dem Verwaltungsgericht Frankfurt a.M. Verwaltungsgericht Frankfurt am Main: Stadt Frankfurt verletzt das Recht auf Meinungsfreiheit - Antisemitismusbeauftragter Uwe Becker darf jüdische BDS-Aktivistin nicht als antisemitisch beleidigen Die Klage der jüdischen Aktivistin Judith Bernstein gegen die Stadt Frankfurt am Main wegen der Diffamierung als antisemitisch hat Erfolg. Das Verwaltungsgericht Frankfurt a.M. urteilte am 04.05.2023, dass die Pressemitteilung vom 10.11.2019 des Ex-Bürgermeisters Uwe Becker rechtswidrig war (Az. 7 K 851/20.F). Zur Begründung erklärte das VG Frankfurt, dass die Pressemitteilung das Sachlichkeitsgebot verletze und Judith Bernstein unzulässigerweise mit dem Vorwurf des Antisemitismus diskreditiere. Ein sachlicher Diskurs sei nicht mehr möglich, wenn Judith Bernstein und die von ihr unterstützte BDS-Kampagne als antisemitisch dargestellt und ein Veranstaltungsverbot gefordert werde. Judith Bernstein: „Das Urteil belegt, dass Uwe Becker aus seinem Amt heraus eine Zensur des öffentlichen Diskurses bezüglich der politischen Situation in Israel vorgenommen hat, indem er mich wegen BDS als antisemitisch beleidigt hat. Das ist ganz besonders bitter, weil meine Großeltern und weitere Verwandte meiner Mutter und meines Vaters in Auschwitz ermordet wurden. Ich als aus Israel stammende Jüdin verwehre mich jedoch vehement gegen den Missbrauch des Judentums für die Zwecke von Herrn Becker. Mein Einsatz für die Wahrung der palästinensischen Menschenrechte, auch mit den Mitteln von BDS, dürfen nicht mehr als antisemitisch diffamiert werden. Herr Becker ist als Antisemitismusbeauftragter des Landes Hessen nicht mehr haltbar.“ Judith Bernstein geht zudem vor dem Verwaltungsgericht Berlin gegen den Anti-BDSBundestagsbeschluss vor (www.bt3p.org). Ahmed Abed, Rechtsanwalt von Judith Bernstein: „Das Urteil belegt die Rechtswidrigkeit des Antisemitismusvorwurfs gegen BDS-Anhänger. In der jetzigen Woche der Meinungsfreiheit der Stadt Frankfurt ist das Urteil gegen die Stadt Frankfurt ein besonders wichtiges Zeichen für die Meinungsfreiheit. Die Stadt Frankfurt muss jetzt die Meinungsfreiheit für Menschenrechtsaktivistinnen wie Judith Bernstein wahren und darf sie nicht mehr ausgrenzen. Dieses Urteil wird Frau Judith Bernstein im Verfahren gegen den Anti-BDS-Beschluss des Bundestages sehr unterstützen.“ Als Bürgermeister der Stadt Frankfurt am Main bezeichnete Uwe Becker in einer Pressemitteilung vom 11.10.2019 Frau Judith Bernstein und die IPPNW, attac, Club Voltaire und Palästina Forum Nahost Frankfurt als antisemitisch und stellte sie in Verbindung mit dem antisemitischen Mörder von Halle. Zusätzlich drohte er allen, jegliche öffentliche Finanzierung zu entziehen, sollte ihr und der BDS-Kampagne ein Raum für die Veranstaltung ,,Meinungsfreiheit statt Zensur, Offene Diskussion zu Aberkennung der Gemeinnützigkeit und Raumverweigerungen - Möglichkeiten der Gegenwehr?" gegeben werden. Die Titania sagte daraufhin den Termin ab, wogegen sich die Veranstalter erfolgreich gerichtlich wehrten. Für Rückfragen: mail@judith-bernstein.deMünchen, den 05.05.2023

Lesung und Musik: Gedichte von Mahmoud Darwish - arabisch/deutsch

Lesung und Musik - Mahmoud Darwisch

Jürgen Jung (Deutsch) und Riyad Helow (Arabisch) lesen Gedichte des im Jahre 2008 verstorbenen palästinensischen Dichters Mahmoud Darwish. Dazu spielt Georg Naser auf der Oud.

Mittwoch, 17.05.2023, 19:30 Seidlvilla, Nikolaiplatz 1b, München
Montag, 05.06.2023 “Kunst im Bau”, München - genaue Details folgen

Eintritt frei, Spenden erbeten

Mahmoud Darwish ist einer der herausragenden zeitgenössischen Dichter in der arabischen Welt und gilt als die poetische Stimme des palästinensischen Volkes. In seinen Werken setzt er sich gleichermaßen gegen Unrecht und Unterdrückung wie für eine friedliche und gerechte Koexistenz von Palästinensern und Israelis, Araber wie Juden ein. Er wird dafür verehrt, dem kollektiven Schmerz über Vertreibung und Exil und der unsterblichen Liebe zu einer verlorenen Heimat ergreifend Ausdruck verliehen zu haben. Veranstalter: Jüdisch-Palästinensische Dialoggruppe München Salam Shalom Arbeitskreis Palästina-Israel e.V. Intercultural Music Association e.V.

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Kontakt: www.jpdg.de, mailto@jpdg.de

Filmvorführung: "Zeit der Verleumder"

Dokumentarfilm von Dror Dayan und Susann Witt-Stahl. Deutschland 2021.
Mit Moshe Zuckermann, Rolf Becker, Esther Bejarano u.a.

„Der Rechtstrend in der westlichen Welt hat bizarre Erscheinungsformen. Linke werden als 'Nazis', jüdische Antifaschisten als 'Verräter' diffamiert“, hieß es in dem Aufruf zu einer Konferenz mit dem Titel „Zur Zeit der Verleumder“ in Anlehnung an ein Gedicht des österreichischen Schriftstellers Erich Fried.

Zu dieser einmaligen Vorführung des sehr aktuellen Dokumentarfilms mit anschließender Diskussion möchten wir Sie herzlich einladen:

Freitag, 18. Februar 2022, 18.00h - 22.00 h

Neuhauser TRAFO, Nymphenburger Str. 171 a, Rückgebäude direkt am U-Bahnausstieg Rotkreuzplatz stadtauswärts

U1 Rotkreuzplatz, Tram 12, Bus 53 und 144


Aufgrund der Corona-Bestimmungen bitten wir Sie, sich schriftlich unter elfi.padovan@gmx.de oder akramuc@t-online.de

anzumelden und ihren Impfpass mit Ausweis mitzubringen. 

Statt Eintritt bitten wir um Spenden für die Finanzierung und Promotion des Films.

Wir freuen uns über Ihr Kommen.

Salam Shalom Arbeitskreis Palästina-Israel e.V.    
Jüdisch-Palästinensische Dialoggruppe     
Frauen in Schwarz

PS.  Die für den 18.02.2022 geplante Gedenkveranstaltung für Reiner Bernstein wird am 11. Juni 2022 nachgeholt

Die Münchner Aidshilfe hat ohne Angaben von Gründen den von uns für Montag, 15.11.21, 19:00 Uhr gebuchten Saal gekündigt

Änderung: Neuer Raum

15.11., 19 Uhr, Münchner Friedenswochen

Judith Bernstein, Adrian Paukstat, Fuad Hamdan, Dr. Jochim Varchmin:

Von Jerusalem nach München: Erinnerungen, Einschätzungen, Hoffnungen zur Geschichte, Gegenwart und Zukunft Israels und Palästinas.

neuer Raum:

Liberales Zentrum, Bichlerstr. 72 - ehemaliger Kiosk am stadteinwärts führenden Gleis. Die S7 braucht von München-Hbf. ca. 20 Minuten bis nach Solln. Abfahrt alle 20 Minuten z.B. 17:53, 18:13, 18:33 usw.

Es gilt die 2G-Regel = geimpft oder genesen. Das wird am Eingang kontrolliert.

Die Veranstaltung wird gefilmt und soll auf YouTube eingestellt werden.






Veranstaltung im Rahmen der Münchner Friedenswochen

Judith Bernstein und Adrian Paukstat im Gespräch mit dem Dialoggruppen Mitbegründer

Fuad Hamdan und Dr. Jochim Varchmin

Von Jerusalem nach München: Erinnerungen, Einschätzungen, Hoffnungen zur Geschichte,

Gegenwart und Zukunft Israels und Palästinas

Judith Bernstein und Adrian Paukstat von der Jüdisch-Palästinensischen Dialoggruppe berichten an diesem Abend über ihre persönlichen Erfahrungen und politischen Einschätzungen zur Situation in Israel und Palästina, sowie den Stand der politischen Kämpfe für Frieden und Gleichheit sowohl in Deutschland als auch vor Ort. Im Rahmen eines öffentlichen Interviews werden dabei sowohl politische als auch persönlich-biographische Themen angeschnitten.

Judith Bernstein ist als Tochter von Überlebenden der Shoah in Jerusalem geboren und aufgewachsen und später nach Deutschland emigriert. Seit vielen Jahren setzt sie sich für Frieden zwischen Palästina und Israel ein.

Adrian Paukstat ist deutscher Politikwissenschaftler, hat in Jerusalem gelebt, gearbeitet und geforscht und war dort in lokalen Friedensinitiativen aktiv.

Dr. Joachim Varchim ist ebenfalls Mitglied der Jüdisch-Palästinensischen Dialoggruppe München.

Fuad Hamdan, geboren im Flüchtlingslager Qualandia, gründete 1985 die Jüdisch-Palästinensische Dialoggruppe.

Montag, 15. November 2021 von 19:00 bis 22:00 Uhr Saal

der Münchner Aidshilfe, Rückgebäude, Lindwurmstr. 71.

U3 / U6 Goetheplatz – für die Veranstaltung gelten die 3G-Regeln -

Veranstalter:

Jüdisch-Palästinensische Dialoggruppe München

Frauen in Schwarz München

Salam Shalom Arbeitskreis Palästina-Israel e.V.


ViSdP: E. Padovan, Frauenlobstr. 24, 80337 München

Meine Rede bei der Demo der Frauen in Schwarz am 14. Mai 2021 auf der Theresienwiese, München

Eigentlich wollten wir heute an die Nakba - die palästinensische Katastrophe von 1948 erinnern. Aber die letzten Tage haben gezeigt, dass die Nakba nie aufgehört hat – sie findet bis zum heutigen Tag statt. 1948 wurden die Palästinenser vertrieben und 2021 werden sie weiterhin vertrieben.

Was hat sich die israelische Regierung dabei gedacht, dass dieser Zustand ewig anhalten wird? Wer Augen im Kopf hat konnte sehen, dass diese unhaltbare Situation eines Tages platzen wird. Aber nicht nur Israel ist an der jetzigen Explosion schuld. Auch die Amerikaner und die Europäer und vor allem Deutschland. Denn seit Jahren hat man nicht nur die Aggression Israels nicht verhindert, sondern sie sogar unterstützt. 

Während in Palästina die Enteignung von palästinensischem Land und Häusern für Siedler, die Inhaftierung von Palästinensern ohne Gerichtsverfahren und die kollektive Bestrafung von zwei Millionen Menschen im Gazastreifen unter Belagerung stattfinden, wird bei uns über BDS und Antisemitismus diskutiert – ohne ein Wort über die Besatzung zu verlieren. 

Wie wir in den letzten Tagen gesehen haben, rächt sich jetzt auch die Apartheid – die Ungleichheit zwischen jüdischen und palästinensischen Bürgern Israels. Nicht nur in Silwan und Sheikh Jarrah werden seit Jahren Häuser für Siedler enteignet. Nach dem Abzug aus dem Gazastreifen wurden z.B. in Jaffa Palästinenser zugunsten von Siedlern aus ihren Häusern vertrieben. 

In Ostjerusalem, in der Westbank, in Gaza aber auch in Israel wächst eine junge Generation von Palästinensern auf, die sich nicht mehr von Israel ihren Alltag diktieren lassen will. Es ist eine Generation, die keine Perspektive, keine Zukunft und nichts zu verlieren hat. In den sozialen Medien sehen sie, wie andere Jugendliche in der Welt leben. Was sie wollen, ist in Frieden, in Würde und gleichberechtigt leben.  

Herr Schuster verlangt von der deutschen Regierung Solidarität mit Israel. Um welches Israel handelt es sich? Um das von Moshe Zuckermann, Ilana Hammerman und den Friedensgruppen in Israel – damit kann ich mich durchaus solidarisieren. Oder meint er das Israel von Netanyahu, der die Siedler hofiert und sie großgemacht hat und seit Jahren gegen die Palästinenser, nicht nur in den besetzten Gebieten, sondern auch in Israel hetzt. Zum Nationalstaatsgesetz, das Israel zum jüdischen Staat erklärt, in dem die nicht-jüdischen Bürger auf den Sekundärstatus herabgestuft werden, habe ich keine Reaktionen von unseren Politikern vernommen.

Stattdessen wird auch bei uns immer noch von der Zwei-Staatenlösung gesprochen – wo bittschön soll der Staat Palästina entstehen? Die letzten Tage haben aber gezeigt, dass auch die Einstaatenlösung obsolet geworden ist. Durch das Zögern, auf Israel Druck auszuüben, hat die sogenannte Weltgemeinschaft dazu beigetragen, dass keine Lösung in Sicht ist – eine Katastrophe für beide Völker.

Juden in Deutschland brauchen keine besondere Behandlung mehr

Das Verhältnis Deutschlands zu den Juden und zu Israel ist verständlicherweise durch den Holocaust geprägt. Doch dadurch ist er ritualisiert, anormal - und manchmal auch aktiv schädlich - geworden.

David Ranan, 20. April, 2020

Deutschland macht schwierige Zeiten durch, und das nicht nur wegen der Auswirkungen der Coronavirus-Pandemie. Angela Merkel, die Verkörperung des deutschen, ja europäischen Gemeinsinns und der Stabilität und eine überzeugte Verfechterin des deutschen Sonderverhältnisses zu Israel nach dem Krieg, ist auf dem Weg nach draußen, während die rechtsextreme Alternative für Deutschland die drittstärkste politische Kraft im Bundestag ist und ihre Unterstützung regional konsolidiert.

Was bedeutet das alles für die Juden? Ist es möglich, in Deutschland ein "normales" jüdisches Leben nach dem Holocaust zu führen? Welche politischen Tendenzen bedrohen tatsächlich die freie Entscheidung der Juden in Deutschland, nach eigenem Gutdünken zu sprechen, zu handeln und sich zu identifizieren? Ist der politische Elitekonsens der Nachkriegszeit in Deutschland - für "Juden und Israel, richtig oder falsch" - so gefestigt, wie er einst war? Sollte er das? Haben Juden in Deutschland eine Zukunft? Und wenn ja, was für eine Zukunft?

Um zu verstehen, wo Deutschland und seine Juden heute stehen, muss man zu den Anfängen des jüdischen Lebens in der neu gegründeten Bundesrepublik zurückgehen. Es begann mit einer kleinen Gruppe von etwa 15.000 Juden, hauptsächlich aus Osteuropa, die sich dafür entschieden, die nach dem Krieg errichteten provisorischen Vertriebenenlager nicht zu verlassen, um sich auf den Weg nach Israel oder in die USA zu machen, sondern in Deutschland zu bleiben.   

Diese vertriebenen Juden, die sich entschieden, in einem Land zu bleiben, das immer noch voller Nazis war, und die wenigen tausend deutschen Juden, die nach dem Krieg zurückkehrten, wurden in der jüdischen Welt als Parias betrachtet. Diejenigen, die blieben, und ihre Vertretungen wurden jahrelang von der jüdischen Welt boykottiert. 

Für die meisten Juden auf der ganzen Welt war es für eine Normalisierung viel zu früh: Sie mussten Deutschland bestraft sehen. Dass eine kleine Zahl von Juden sich dafür entschied, im Land der Täter, unter den Tätern, zu leben, war ein Affront: Man hielt sie für würdelos, was den Namen und das Ansehen des jüdischen Volkes aktiv befleckte.

Jahrzehntelang nach dem Holocaust weigerten sich viele Juden, Deutschland zu besuchen, deutsche Waren zu kaufen, und lehnten sogar deutsche Reparationen ab - Israel erlebte gewalttätige Demonstrationen, als seine Regierung 1952 ein Reparationsabkommen unterzeichnete - und vermieden jeglichen Kontakt mit diesem Land. 

Um mit ihrem eigenen Unbehagen mit ihrer Entscheidung, im "Land der Täter" zu leben, fertig zu werden, erfand die Führung der kleinen jüdischen Gemeinde eine imaginäre Rolle. Sie überzeugten sich selbst und ihre Gemeinde davon, dass sie eine wichtige Rolle als Mittler zwischen dem neuen Deutschland und Israel sowie zwischen Deutschland und Juden weltweit spielten. Dies war eklatant unwahr. 

Im Juli 1949 sprach John McCloy, der US-Hochkommissar im besetzten Deutschland, über die Zukunft des jüdischen Lebens in Deutschland: "Was diese Gemeinschaft sein wird, wie sie sich formt, wie sie ein Teil wird und wie sie mit dem neuen Deutschland verschmilzt, wird, so glaube ich, von der ganzen Welt sehr genau und sehr aufmerksam beobachtet werden. Sie wird meiner Meinung nach einer der wirklichen Prüfsteine und der Test für den Fortschritt Deutschlands auf dem Weg zum Licht sein".  

Diese Botschaft wurde sowohl von jüdischen als auch von deutschen Politikern verinnerlicht. Mehr als 70 Jahre sind vergangen, und Deutschland ist zweifellos aus der Dunkelheit herausgekommen und ans Licht gekommen. Und doch ist es eine Tatsache, dass Deutschland und Juden weiterhin ein ungesundes, abnormales Verhältnis haben. Der Ruf nach einer Normalisierung der Beziehungen wird von einigen als Zeichen dafür gewertet, dass sie antisemitische Ansichten hegen. 

Die Beziehungen zu Israel sind ebenfalls von einem hohen symbolischen Gewicht geprägt.  In einer dramatischen Ansprache vor der Knesset im Jahr 2008 erklärte Bundeskanzlerin Angela Merkel, dass die Gewährleistung der Sicherheit Israels Teil des deutschen Staatsräson sei, der "Staatsräson" - seiner Mission, Rechtfertigung und besonderen historischen Verantwortung. Die Erklärung war hauptsächlich emotional - Deutschland wird wahrscheinlich keine Soldaten in Israels Kriege schicken - aber Merkel war klar, dass die Verantwortung nicht verhandelbar sei.  

Fast 75 Jahre sind vergangen, seit Deutschland sein Vernichtungsprogramm zur Befreiung der Welt von Juden eingestellt hat, und es ist zu einem Land geworden, das tatsächlich viele Juden anzieht, um dort zu leben. Es war kein leichter Weg. Viele Juden der zweiten Generation nach dem Holocaust wollten nicht bleiben, und 1989 zählte die schrumpfende jüdische Gemeinde in Deutschland weniger als 30.000 Mitglieder. 

So wurde eine Notlösung gefunden, um ein völliges Aussterben der Gemeinde zu verhindern, indem "neue" Juden aufgenommen wurden. In den 1990er Jahren, nach der Auflösung der Sowjetunion, nahmen mehr als 200.000 Juden aus den Staaten der ehemaligen Sowjetunion ein offenes Visumsangebot der deutschen Regierung an und ließen sich in Deutschland nieder. Eine weitere Gruppe nichtdeutscher Juden, die Deutschland und insbesondere Berlin attraktiv finden, sind junge Israelis. Die Zahl der Israelis, die derzeit in Berlin leben, wird auf 10-30.000 geschätzt. 

Das Verhältnis Deutschlands zu den Juden und zu Israel ist verständlicherweise von der Vergangenheit geprägt. Dies hat jedoch dazu geführt, dass sie ritualisiert und künstlich geworden ist. Ein konkreter Akt symbolisiert es gut: Etwa einmal im Jahr finden die Bundeskanzlerin und/oder der Bundespräsident die Gelegenheit, den Juden öffentlich ihren Dank für ihren Aufenthalt in Deutschland auszusprechen. 

Und Bundespräsident Walter Steinmeier stellte kürzlich in Yad Vashem fest, er sei "beladen mit der schweren, historischen Last der Schuld", aber auch "erfüllt von Dankbarkeit für die uns entgegengestreckten Hände der Überlebenden, für das neue Vertrauen, das uns die Menschen in Israel und in der Welt entgegenbringen, für das blühende jüdische Leben in Deutschland". Deutsche Politiker und deutsche Medien, aber auch die breite Öffentlichkeit, gehen außerordentlich vorsichtig vor, wenn es um jüdische oder israelische Angelegenheiten geht. 

Ein Teil dieser zusätzlichen Sensibilität drückt sich in einem anderen Merkmal der deutschen Politik aus: dem Philosemitismus. Wenn Antisemitismus Judenfeindlichkeit ist, weil sie "Juden" sind - eingebildete negative Eigenschaften, die man ihnen nachsagt - dann ist Philosemitismus das Gegenteil. Er ist eine unkritische Liebe zu Juden, nur weil sie Juden sind, unabhängig von ihrer Persönlichkeit, Moral oder ihren Handlungen. Einige Deutsche, die vom Philosemitismus betroffen sind - was für viele eine andere Art ist, mit ihren Schuldgefühlen umzugehen - sind merklich obsessiv, wenn es um Angelegenheiten geht, die mit Juden oder Israel zu tun haben. 

Auf den ersten Blick sollte es keinen Grund geben, gegen Weltverbesserer Einwände zu erheben. Und doch führt die "positive" Besessenheit von jüdischen Angelegenheiten, die in ihrer zwanghaften Inbrunst der von Antisemiten nicht unähnlich ist, Philosemiten oft zu anomaler und schädlicher Agitation und politischer Aktivität.  

Wenn der Philosemitismus die Augen vor israelischen Menschenrechtsverletzungen oder Ungerechtigkeiten verschließt, dann ermöglicht er das Schlechte, nicht das Gute. Wenn der Philosemitismus einen solchen Schutzschild über Juden und jüdisches Leben errichtet, dass diese mehr und mehr in ein wohlwollend gemeintes Ghetto eingeschlossen werden, dann ist er eher schädlich als nützlich. In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass Umfragen in Deutschland zeigen, dass die reflexartig pro-israelische Haltung der politischen Eliten und der sich selbst identifizierenden Philosemiten von der allgemeinen Bevölkerung nicht geteilt wird

Ein weiteres deutsches Phänomen, das die deutschen Diskussionen über jüdische und israelische Angelegenheiten gelegentlich verzerrt, ist die kleine, aber ziemlich aggressive Gruppe, die sich selbst als anti-Deutsche bezeichnet. Sie schreckt nicht davor zurück, Ansichten, die sie nicht akzeptieren, als "antisemitisch" zu etikettieren.  

Anti-Deutsche ("Anti-Deutsche") begannen als eine antinationalistische politische Splittergruppe der radikalen Linken des Landes. Nur ein Nationalismus ist sakralisiert: der israelische. Scharfe Unterstützung für Israel und Widerstand gegen den Antizionismus sind ein wichtiges Merkmal des antideutschen Denkens. 

Es gibt drei weitere kritische Teilnehmer am deutschen Diskurs über Juden, Antisemitismus und Israel. Es handelt sich um den Zentralrat der Juden in Deutschland (das repräsentative Dachorgan der Gemeinde), den Staat Israel, der direkt, aber auch über verschiedene informelle und teilweise unter dem Radar laufende Kanäle tätig ist, und die große amerikanisch-jüdische Interessenvertretung, das American Jewish Committee (AJC).

Ihre Lobbyarbeit, zusammen mit der unermüdlichen Arbeit philosemitischer Bundestagsabgeordneter, hat Deutschland unter Druck gesetzt, eine substanzielle neue und meines Erachtens unnötige Bürokratie zur "Bekämpfung" des Antisemitismus aufzubauen: Zaren des Antisemitismus, sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene.

Es ist bemerkenswert, dass deutsche Politiker nicht den Anstand besaßen, die mehr als vier Millionen Muslime, von denen viele regelmäßig Islamophobie erleben, mit einer parallelen Ernennung zur Behandlung von Fragen der antimuslimischen Aufhetzung und Gewalt zu bedenken. Oder vielleicht noch besser, eine einzige Funktion zu schaffen, die sich sowohl mit Rassismus als auch mit Antisemitismus befasst?

Und wenn schon nicht Anstand, so doch zumindest Pragmatismus: Es besteht kein Zweifel, dass Juden, die bereits als privilegierte Minderheit betrachtet werden, offenbar eine Sonderbehandlung erhalten.In meiner Untersuchung zum Antisemitismus unter Muslimen in Deutschland äußerten einige meiner Befragten Ressentiments gegen eine Sonderbehandlung, wie etwa zusätzliche Sicherheit für Synagogen, im Vergleich zu dem null zusätzlichen Schutz, den die Staaten den Moscheen gewähren, obwohl sie von der gewalttätigen extremen Rechten bedroht werden.

Diejenigen, die sich für eine Verschmelzung von anti-israelischem Aktivismus und Antisemitismus einsetzen - die erklärte Haltung Israels selbst wie auch der Trump-Administration - sind ebenfalls sehr aktiv und zunehmend erfolgreich in Kampagnen, die darauf abzielen, keine plattformunabhängigen Meinungen zu verbreiten, mit denen sie nicht einverstanden sind. Im Klartext, um solche Stimmen zu boykottieren. Einzelpersonen, Organisationen und Staaten des Antisemitismus zu beschuldigen war schon immer eine wichtige Waffe in Israels Arsenal, um diejenigen zum Schweigen zu bringen, die es kritisieren, was zu dem absurden Konstrukt führt, fälschlicherweise zu behaupten, dass die Boykott-, Desinvestitions- und Sanktionsbewegung antisemitisch sei. 

Der jüngste Erfolg dieser Kampagne war die Entscheidung des Bundestages, die BDS als antisemitisch zu definieren. Die Entscheidung hat die unmittelbare Folge, dass jeder, der offen über diese gewaltfreie palästinensische zivilgesellschaftliche Bewegung diskutieren will, von allen öffentlichen Körperschaften, der Regierung, den Kommunalverwaltungen und halbstaatlichen Organisationen, Kirchen, Universitäten und anderen Organisationen nicht mehr unterstützt wird. Die israelische Botschaft, der Zentralrat der Juden in Deutschland, sogar der Bundeszar des Antisemitismus drängen aggressiv auf die Umsetzung dieses Bundestagsbeschlusses. 

Diese einzigartige Mischung von Akteuren, die alle eine besondere Rolle im Verhältnis Deutschlands zu den Juden, zu Israel und zum Antisemitismus fordern und erhalten, hat zu einer ungesunden Situation geführt: ungesund für Deutschland und ungesund für die deutschen Juden, von denen rund 90 Prozent Einwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion und ihre Nachkommen sind. Sie wurden von der deutschen Regierung ins Land geholt, um als Juden zu dienen, um jüdisches Leben zu ermöglichen, weil Deutschland glaubt, dass es eine jüdische Gemeinde braucht, um zu beweisen, dass sie "sauber" ist. 

Zu diesem Zweck haben politische und kommunale Institutionen und Rituale eine Gemeinschaft mit einer Meta-Mission geschaffen, eine Gemeinschaft, die in einer seltsamen, verweichlichten Blase lebt, die auch für die rechte israelische Politik mobilisiert, ja sogar bewaffnet wird. 

Damit ein Wandel stattfinden kann, muss die jüdische Gemeinde selbst ihn herbeiführen. Weder die Philosemiten noch die Anti-Deutschen werden wahrscheinlich ihr Gesangbuch ändern. Israel und die es unterstützenden Akteure, seien es einflussreiche amerikanisch-jüdische Gruppen oder andere, sind entschlossen, die Angst Deutschlands, des Antisemitismus beschuldigt zu werden, auszunutzen, um möglichst viel Kritik an Israel zu verdecken. Die jüdische Gemeinde braucht eine Führung, die den Weg zur Normalität weist. Es ist unwahrscheinlich, dass dieser Wandel von der nicht-jüdischen Mehrheit Deutschlands ausgehen wird.

Es bleibt zu hoffen, dass die deutsch-jüdische Gemeinde, die derzeit den Kampf gegen den Antisemitismus nicht nur als notwendige Selbstverteidigung, sondern als integralen Bestandteil der Definition ihrer eigenen Identität zu betrachten scheint, einen Ausweg aus diesem morbiden Muster findet. Das sind Menschen, die sich entschieden haben, nach Deutschland zu kommen und einfach nur in Deutschland zu leben. Punkt. Die Juden in Deutschland selbst sollten die Vorstellung ablehnen, dass sie eine metahistorische Rolle zu spielen haben. Eine neue Post-Merkel-Administration könnte eine gute Gelegenheit für einen Neuanfang sein. 

 

Der in Israel geborene Dr. David Ranan ist Politikwissenschaftler und Autor, der seine Zeit zwischen London und Berlin aufteilt. Sein jüngstes Buch ist "Muslimischer Antisemitismus": Eine Gefahr für den gesellschaftlichen Frieden in Deutschland?". ("Muslimischer Antisemitismus: Eine Gefahr für den gesellschaftlichen Frieden in Deutschland?") (2018). Seine aktuelle Arbeit konzentriert sich auf politische Terminologie und ihre Manipulationen. Sein Buch zu diesem Thema soll Ende 2020 in Deutschland erscheinen. Twittern: @davidranan

David Ranan

https://www.haaretz.com/jewish/.premium-jews-in-germany-don-t-need-special-treatment-any-more-1.8781024

 

 

Referate auf der Veranstaltung "Meinungsfreiheit statt Zensur" am 15.10.2019 im Titania Theater in Frankfurt

Referate auf der Veranstaltung "Meinungsfreiheit statt Zensur" am 15.10.2019 im Titania Theater in Frankfurt

Referat Hartmut Bäumer / Transparency Deutschland

 

Referat Judith Bernstein / Judische-Palästinensische-Dialog-Gruppe München

 

Referat Dr. Khalid Hamad / Palästinensische Gemeinde Deutschland

 

Tonaufzeichnung

 

https://nc.coalcave.de/index.php/s/gD6PS737KQEDqke

 

Datei 1: Bäumer ab Min 0:  (die ersten ca. 20 Minuten fehlen)

 

Datei 1: Judith Bernstein ab Min 15:20

 

Datei 2: Judith Bernstein

 

Datei 2: Dr. Khalid Hamad  ab Min 6:10

 

 

Referat Hartmut Bäumer / Transparency Deutschland

Eingangsreferat

 

(Der Anfang des Referats fehlt - ca. 20 Minuten)

 

..... der Öffentlichkeit ganz deutlich gemacht, dass man mit denen eigentlich nichts zu tun haben darf. Das sind so die Zwischenstadien zwischen formal demokratisch organisierten und mehr direkt autoritär wie in China ???? das was nicht opportun ist, wird verboten

 

Wir haben leider in der EU auch Staaten, die immer mehr zu dieser - Orban hat gesagt "illiberalen Demokratie" kommen in dem sie auch ihren NGOs[1] das Leben ganz schwer machen, dadurch, dass sie Gelder entziehen oder wie z.B. in Ungarn, jemand wie der Soros der die Universität mit viel Freiheitswillen aufgebaut hat und jetzt nach Wien umziehen muss.[2] Das sind die subtilen Wege, wie man dazu beiträgt oder wie Staaten versuchen die Meinungsfreiheit, die organisierte Meinungsfreiheit, einzuschränken.

 

Man kann sich natürlich fragen in unserem Staat, gewaltengeteilten Staat, formal auch demokratisch und ich würde sagen wir sind auch gemessen an vielen anderen Ländern demokratisch, aber die Anfechtungen sind ja da.

 

Warum brauchen wir denn eigentlich die Zivilgesellschaft?

 

Und das ist in den letzten 2030 Jahren so deutlich geworden. Ich brauche momentan da nur an Friday for Future zu erinnern. Wenn der Druck, und zwar egal in welcher Partei, das gilt auch für die Grünen, da bin ich ja Mitglied, wenn der Druck der Zivilgesellschaft auf Veränderungen nicht da ist, dann werden wir gemeinsam immer mehr in eine Politik gepresst, die als unabänderlich dargestellt wird.

 

Und nur dadurch, dass Menschen bereit sind zu sagen sie kämpfen für andere Ziele und sie weisen darauf hin, dass was falsch läuft und zwar bei uns, wie in anderen Ländern, nur dadurch wird Demokratie wach und lebendig. Das ist zwar in den letzten 25 Jahren gesehen worden, es ist aber in Deutschland nicht zu einer Änderung gekommen, wo es hätte sein müssen.

 

Und jetzt komme ich Mal auf die Sache mit Attac zu sprechen.

 

Seit Rot Grün, 1998 - da war ich Regierungspräsident in Gießen - , haben wir die Diskussion gehabt, dass die Abgabenverordnung geändert werden muss, dass die Zivilgesellschaft gestärkt werden muss.

 

Und dann gab es auch eine Enquete Kommission, die hat 2002 ganz vernünftige Vorschläge vorgelegt hat, aber die sind auch versandet.

 

2005 kam dann der erneute Regierungswechsel, aber auch die damaligen Parteien Rot/Grün haben sich nicht mit Ruhm bekleckert, weil man es hätte festklopfen müssen, dass die Organisationen, die sich im Gemeinwohlinteresse engagieren, besser geschützt sind.

 

Denn ohne die finanzielle Absicherung, auch über die Gemeinnützigkeit, läuft da wenig.

Es ist vollkommen klar, man lebt auch von kleinen Spenden, aber in dem Moment, wo auch nur ein paar hundert Euro wenigstens steuerlich absetzbar sind, ist es eher so, dass man die bekommt, als wenn es nicht so ist, oder gar noch stigmatisiert wird‚ "na, die sind nicht so ganz koscher, die kriegen keine Gemeinnützigkeit."

 

Dies ist nicht erfolgt und hat dazu geführt, dass über die Jahre zwar die Regierenden gesehen haben, was die NGOs machen und manchmal war man froh, dann hat es Druck in die Richtung gemacht, die man auch will, aber man hat ganz genau beobachtet, wo werden jetzt Grenzen des politisch Genehmen? des Gewollten eventuell der Parteien verletzt.

 

Und deswegen hat man es nicht ausgeweitet, sondern sich die Möglichkeit vorbehalten in einer bestimmten Art und Weise evtl. gegen Organisationen eventuell vorzugehen, hat man nicht gemacht

 

Und dann kam hier vom Finanzamt Frankfurt die Infragestellung der Gemeinnützigkeit von Attac. Und das ist nun ganz interessant. Dann wurde das abgesprochen, es gibt einen Katalog in der Abgabenordnung,  aus dem sich das ergibt.

 

Dann hat aber der Hessische Finanzhof entschieden: das ist zu Unrecht geschehen. Und jetzt kommt die schwierige Volte - ich bin wirklich als kurz nach dem Krieg Geborener in diesem demokratischen Staat angekommen und ich habe wichtige Funktionen als Beamter innegehabt, aber manches, da fass ich mir einfach an den Kopf, wie können Beamte so etwas machen.

 

Hier ist nämlich jetzt Folgendes passiert – nach den Informationen, die ich habe -, hat das Hessische Finanzamt dann gesagt: ok, wir machen nichts.

 

Und dann kam vom Bundesfinanzministerium - und der Scholz hat daran auch nichts geändert, da war er noch nicht Minister  – kam der Druck dagegen in Berufung zu gehen oder in Revision.

 

Dann hat der Bundesfinanzhof diese schwierige Entscheidung vor allem mit der Begründung gefasst „Zivilgesellschaftliche Organisationen, die sich allgemein politisch betätigen verlieren den Schutz der Gemeinnützigkeit“.  Sie dürfen sich also nur in ganz engen Rahmen (betätigen), in dem sie die Gemeinnützigkeit anerkennen.

 

D.h. für uns (Transparency Deutschland)[3] wir müssen die Strafbarkeit, uns dafür einsetzen, dass die Korruption bestraft wird, also sehr eng.

 

Jedem, der sich Mal organisiert engagiert hat ist klar, dass es so nicht geht, sondern dass man dann auch Forderungen an Parteien stellt: Das müsst ihr ändern damit es in diesem Sinne besser wird.

 

Der Hintergrund dieser so engen Auslegung ist nicht, dass die das nicht machen konnten, dazu bin ich Jurist genug. Sowohl der Hessische Finanzhof wie der Bundesfinanzhof konnten auf der Basis dieser schwammigen Formulierungen so entscheiden wie sie entschieden haben.

 

Der Hintergrund ist aber einer, den wir nun ganz vergessen haben.

 

Man hat in den 90er Jahren gesagt, man will die Parteien zügeln in ihrem ungezügeltem Drang nach mehr Geld. Und dann gab es ja die Parteienfinanzierung und man wollte verhindern, dass sie über Organisationen, die sie selber gründen, quasi sie sich auf einen Umweg begeben um an Geld zu kommen (<????). Und deswegen diese Einschränkung der allgemeinpolitischen Betätigung.

 

In den letzten 25 Jahren ist aber so viel passiert, dass, wie ich am Anfang gesagt habe, die Parteien in vielen Fällen gar nicht mehr abdecken was in der Gesellschaft tatsächlich los ist und gefordert wird.

 

Das gilt übrigens auch bis in Ecken, mit denen ich nun gar nichts zu tun hab. Das muss man aber heute sagen, wir wollen das nicht ausweiten,  damit nicht auch noch Pegida gemeinnützig wird.

 

Das ist an den Haaren herbei gezogener Quark. Das ist wirklich nicht angezeigt.

 

Weil bei Pegida klar ist, da sind verfassungsrechtliche Grenzen weit überschritten und zu sagen, dann müssten wir ihnen das auch geben, das ist Unsinn. Das ist aber nur die fehlende Bereitschaft sich damit auseinanderzusetzen.

 

Im Ergebnis haben wir jetzt die Situation, dass im Moment Herr Scholz ein 180 Seiten Reformgesetz für Steuerrecht vorlegt – dieser ????? kommt nicht vor, hätte er gekonnt, hat er nicht gemacht

 

Das heißt, es gibt nach wie vor eine fehlende Bereitschaft  auch den notwendigen Hirnschmalz anzuwenden. Man muss schon schauen was man tut. Es geht nicht darum, dass alles gemeinnützig sein kann, was man sich auf die Fahnen schreibt. Ich habe Pegida eben schon genannt. Aber das ist ohne Probleme machbar

 

Das ist eine Situation, die mir und uns zeigt dass das Wissen und auch das politische Gespür dafür, was Demokratie in der Gesellschaft ausmacht, dass das fehlt.

 

Man will in den Denkkategorien bleiben in der Politik und dann sagen, da möchte ich nicht dran gerührt haben.

 

Und diejenigen, die das stört und die das stören wie z.B. die Deutsche Umwelthilfe (DUH), die werden mit dem Risiko belegt, dass man sie auch austrocknet.

 

Und da schließt sich der Kreis zu einem ganz anderen Thema. Will ich nur andeuten, da stehen natürlich ganz starke mächtige Kapitalinteressen dahinter.

 

Wer so VW, Audi, auf die Füße tritt, der darf sich leider auch nicht wundern, dass er angegriffen wird. Und da ist es wirklich notwendig zu sagen – wehret den Anfängen.

Das ist so, wenn man das zulässt, dass eine Organisation wie die DUH, die gesetzlich eigentlich Aufgaben wahrnimmt, die die Verwaltung wahrnehmen müsste – ihr hat man ja die Aufgabe übertragen teilweise zu schauen, ob Betriebe die Umweltnormen einhalten oder nicht.  Dass man dann quasi denen entgegenhält, ihr seid ja sozusagen gesetzesuntreu, man müsste euch das Wasser abgraben, das ist schon mehr als hanebüchen (<??).

 

Ich will an dieser Stelle, neben der Sache, die ich gerade zitiert habe – was ein Herr Pfeifer, Bundestagsabgeordneter, der sich so geäußert hat, aber noch ein paar andere eben auch, der Ministerpräsident von NRW[4] - aber auch nochmal auf heute Abend zu sprechen kommen.

 

Wie gesagt, ich bin kurz nach dem Krieg geboren, ich weiß, welche fürchterliche Gräuel die Deutschen den Juden, auch anderen, angetan haben und so ne Debatte, die ist schon sehr schwierig.

 

Weil ich gerade gehört habe, dass sie aus München kommen, ich war da Fraktionsvorsitzender, da war Strauß noch Ministerpräsident und dann gab es den ersten Krieg um Kuwait. Und da haben wir auch da ne Debatte gehabt und ich hatte auf der einen Seite einen sehr netten Palästinenser und auf der anderen Seite eine sehr nette Israelin. So schwierig - es war auf dem Marienplatz - , hab ich ne Diskussion noch nie empfunden.

 

Jetzt bin ich ein paar Jahre älter und es ist immer noch schwierig – dies möchte ich vorab sagen.

 

Und ich möchte auch sagen, was an diesem Abend so deutlich wird ist, wenn man das nicht mehr diskutieren will oder kann, dass vielleicht einige Menschen  - ich stehe nicht hinter den Forderungen von BDS, manches finde ich aber nachvollziehbar, aber das ist ja was ganz anderes - aber wenn ich das nicht mehr diskutieren kann oder hier lesen muss, dass der Herr Becker dem Club Voltaire androht die Zuwendungen zu entziehen, ja dann sage ich – wo sind wir denn eigentlich. (Beifall)

 

Mit einer Anekdote schließe ich, die hat auch mit Frankfurt zu tun.

 

Sie wissen, hier war Mal ein Hr. Brück OB und der war auch mal, da war er noch nicht OB, da war er Dezernent, da war ich Richter am Arbeitsgericht, da wurde ein Mann entlassen, dem unterstellt wurde er sei Mitglied des KBW (Kommunistischer Bund Westdeutschland). Und dann war der das nicht mehr.

 

Und ich war an einigen Stellen Vorsitzender und ich muss Ihnen ehrlich sagen, die Art wie Brück argumentiert hat, er war Oberstaatsanwalt, wenn ich ihm gesagt hätte, was ich gedacht habe, jetzt kann ich es sagen „Du hättest im Dritten Reich auch deine Rolle gespielt“ - wie er argumentiert hat, das war unmenschlich und daneben.

 

Das hat jetzt nichts mit Herrn Becker zu tun, weil ich den nicht kenne, aber ein guter Freund von mir hat gesagt, der sei recht liberal. (Lachen)

 

Das man heute, warum auch immer, sich hinstellt und sagt, das wollen wir nicht diskutieren, ich setze mich auch mit AfD Unterstützern hin, das mache ich mit Bauchschmerzen, aber verdammt nochmal, wir müssen diese Diskussion aufnehmen, sonst geht es nicht besser.

 

Ich habe Israel besucht, und ich verstehe zumindest, dass einige im Westjordanland oder in Hebron Lebenden, wo man dort mit Scheiße von oben runter beschmissen wurde, die sagen, ich kann das nicht mehr, ich halte das nicht mehr aus.

 

Auf der anderen Seite habe ich auch Freunde, die ein Kind verloren haben, weil eine Bombe im Bus hochging.

 

Also, das ist nicht nur schwarz – weiß.

 

Ich finde aber zu der Debatte, ????  Sozialistischen Büro, wo ich auch war, und Michael Brumlik und der BDS ????  der neue McCarthyismus, da ist vieles gesagt, was es zu sagen gibt.[5]

 

 

 

 

Matthias Jochheim

 

Vielen Dank Herr Bäumer, ich finde Sie haben einen wirklich wunderbaren Einstieg in unseren Abend hier gemacht, weil Sie Themen angesprochen haben, die wir heute auch sicher noch weiterhin bearbeiten werden und sozusagen die Vogelperspektive auf die Problematik.

Dann wollen wir jetzt Judith Bernstein bitten etwas aus ihren Erfahrungen in München und der weiteren Umgebung zu erzählen. 

 

 

Referat Judith Bernstein

 

Ich bedanke mich erstmal für die Einladung.  Ich möchte am Beispiel München erläutern. Ich werde dabei auf die JPDG [6] eingehen, deren Mitglied ich bin und auf die Erfahrungen, die mein Mann [7] und ich gemacht haben. Ich werde nicht alle Vorkommisse vortragen. Damit würde ich Sie wirklich überfordern.

Mein Mann war 1977 Bundesgeschäftsführer der DIG[8] geworden. Er hat den Fehler gemacht mit einer Gruppe den arabischen Bürgermeister von Nazareth zu treffen und den kritischen Erziehungswissenschaftler Ernst Simon nach Deutschland einzuladen. Nachdem der damalige israelische Botschafter in Deutschland Yohanan Meroz die DIG vor die Wahl stellte, entweder meinen Mann zu entlassen oder auf die Beziehung zu verzichten, wurde natürlich mein Mann entlassen. Dazu möchte ich ihnen ein Zitat vortragen. Es stammt vom damaligen Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts Ernst Benda, der auch Präsident der DIG war.

Bereits 1974 hat er in der Universität in Tel Aviv folgendes vorgetragen. "Als mir vor einigen Jahren in Jerusalem - ich war damals Präsident der DIG - von einem prominenten Vertreter ihres Landes der Dank dafür ausgesprochen wurde, dass wir so nachhaltig die Interessen Israels in der Bundesrepublik verteidigen, habe ich mich gegen diese Anerkennung deswegen verwahrt, weil wir nicht die Agenten Israels in Deutschland sind. Wir vertreten, wie es selbstverständlich ist, die Interessen unseres eigenen Landes, die wir so verstehen, dass der Einsatz für die Existenz und das Lebensrecht Israels zu den essentiellen Bestandteilen deutscher Politik gehören. Würde das in irgendeiner Weise zweifelhaft werden, würde eine nationale Politik, die Anspruch auf Glaubwürdigkeit erhebt und damit die Chancen auf Erfolg einschließt unmöglich sein. Diese Haltung der Solidarität schließt das Recht und die Pflicht zur Kritik ein, wenn wir glauben, dass Israel falsch handelt."

Das ist in den DIG-Informationen 1974 erschienen. Heute 45 Jahre später gewinnt man mehr denn je den Eindruck, dass deutsche Politiker in Sachen Nahost nicht deutsche, sondern die Interessen der israelischen Regierung und des Zentralrats der Juden in Deutschland vertreten.

Im Januar 2014 wurde in der Montessori-Schule in München die "Nakba"-Ausstellung gezeigt. Gegen die und unsere Vorträge gab es massiven Protest seitens der israelischen Kultusgemeinde, der liberalen Gemeinde, der DIG, der GRÜNEN Jugend und der Janus-Korczak-Akademie.[9] Ich wurde als Lügnerin und Verräterin bezeichnet. Ich habe eigentlich nur erzählt wie ich in Jerusalem aufgewachsen bin. Der Bruch kam am 9. November 2014. Auf Betreiben der israelitischen Kultusgemeinde wurde uns der Zutritt zur öffentlichen Erinnerung an die Pogromnacht am 9. November 1938 mit der Begründung verwehrt, man habe seine Vorschriften.

Ende 2014 bat mich die Konrad-Adenauer-Stiftung um einen Beitrag "Befreiung von Auschwitz - was die Enkelgeneration heute bewegt" für die Zeitschrift "Die politische Meinung". Darin bin ich auf das Schicksal meiner Familie eingegangen. Also meine Großeltern sind von Erfurth nach Auschwitz deportiert und dort ermordet worden. Meine Eltern sind 1935 nach Palästina gegangen. Ich fügte hinzu, mit der Erinnerung an die Shoa  verzeichnet die Politik erhebliche Erfolge Ängste in der Bevölkerung zu schüren. Daraufhin wurde mir mitgeteilt, dass der Beitrag interne Debatten um die politischen Implikationen ausgelöst habe, die möglicherweise Missverständnisse in Bezug auf die Intentionen der Konrad-Adenauer-Stiftung hervorrufen könnten. Der Artikel wurde nicht gedruckt.

Die Auseinandersetzung um die Vergabe von städtischen Räumen begann im November 2015 mit der Einladung von Christoph Glanz aus Oldenburg zu erklären was BDS ist.[10] Die Abendzeitung schrieb schon im Vorfeld dazu: "Es ist einer von vielen Vorträgen, die in den Räumen des Gasteigs stattfinden. Nur wenige dürfen als antisemitisch bezeichnet werden. ‚Palästina/Israel – Herbst 2015‘ am Samstag ist es jedoch mit Sicherheit." Charlotte Knobloch wird in dieser Zeitung so zitiert:  Antisemitisch sei die Parole "Kauft nicht bei Juden", die modernisierte Form des Nazi-Jargon "Kauft nicht vom jüdischen Staat". Und seit dem kursiert ja dieser Satz. Damit verharmlost sie den Holocaust. Die Juden damals wurden deshalb boykottiert, weil sie Juden waren, hingegen könnte Israel die Besatzung beenden.

Oberbürgermeiste Reiter versicherte Frau Knobloch, dass in Zukunft solche Veranstaltungen nicht von der Stadt gefördert werden - wir haben noch nie eine Förderung bekommen. Am 13. Oktober 2016 wurde die Veranstaltung in der Evangelischen Stadtakademie mit dem israelischen Staatsbürger Muhammad Darawshe dem Direktor von Givat Haviva, eine der wenigen Einrichtungen in Israel, die sich dem friedlichen Zusammenleben von Juden und Arabern widmen unter Antisemitismusverdacht gestellt. Sogar Herr Steinmeier hat Givat Haviva besucht. Ist er vielleicht auch Antisemit?

Ende Mai sollte in der Evangelischen Akademie in Tutzing eine Tagung stattfinden zum Thema Nahostpolitik im Spannungsdreieck - israelische und palästinensische Friedensgruppen als Lernorte für die deutsche Politik? Diese Gruppen zählen zu den letzten, die noch miteinander kooperieren. Eine von ihnen wurde sogar für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen. Auf Druck der Jüdischen Gemeinde und des Israelischen Konsulats sagte die Landeskirche die Tagung ab, was zu heftigen Protesten führte. Zur Begründung hieß es, die Tagung sei nicht ausgewogen. Die Süddeutsche Zeitung berichtete dazu, dass eine der Organisatorinnen[11] die BDS-Kampagne unterstütze, ferner zitierte sie mich aus meinen Brief an Sigmar Gabriel damals, das Einknicken deutscher Institutionen schüre den Antisemitismus. Dieser Meinung bin ich immer noch.

Im Mai hatte die Jüdisch-Palästnensische-Dialog-Gruppe Gideon Levy, ein bekannter Journalist von der Haaretz,[12] zu einem Vortrag mit dem Titel "Fifty years to the occupation - how is it possible?  in das Kulturzentrum Gasteig eingeladen. Oberbürgermeister Reiter und der Geschäftsführer Schmidt wollten absagen. Der Geschäftsführer des Gasteigs und die Mitarbeiter des Zentrums baten den Referenten nicht über BDS zu sprechen - das war auch gar nicht sein Thema. Die SZ wählte den aufreißerischen Titel "Kritisch oder schon antisemitisch? Umstrittener Gast im Gasteig." Der Referent unterstütze BDS, was überhaupt nicht gestimmt hat.

Am 11. Juli 2017 haben CSU und SPD den Antrag eingebracht städtische Räume nicht länger Gegnern der israelischen Regierungspolitik zur Verfügung zu stellen. Die Jüdisch-Palästinensische-Dialog-Gruppe wurde als einzige erwähnt. In dem gemeinsamen Antrag der beiden Parteien heißt es, München stelle sich gegen die antisemitische BDS-Kampagne. Die Landeshauptstadt werde außerdem nicht mit Gruppierungen, welche die Ziele von BDS verfolgen, in Form von Zuschüssen oder Raumvergaben kooperieren. München will also kritische Veranstaltungen zur israelischen Politik unterbinden. Ich wäre gespannt, ob dieses Verbot auch ausgesprochen würde, wenn Frau Knobloch zu diesem Thema eingeladen würde.

Im Oktober hielt ich den Vortrag "Jerusalem, das Herzstück des israelisch-palästinensischen Konflikts." Er kam nur nach einer einstweiligen Verfügung zustande. Auf Betreiben von Mariam Offman, Mitglied der Israelitischen Kultusgemeinde und der CSU - heute ist er bei der SPD - ist es mir seit diesem Vortrag verboten in München über Jerusalem zu referieren und mich an einer Veranstaltung zur Politik Israels aktiv zu beteiligen. Am 13. Dezember[13] wurde der Antrag im Münchner Stadtrat verabschiedet.

Ende Januar 2018 hat die Humanistische Union meinen Mann und mir den Preis "Der aufrechte Gang" für unser Engagement sowohl in der Intitiative "Stolpersteine für München" als auch für unseren Beitrag zur friedlichen Regelung des Nahostkonflikts auf der Grundlage der Koexistenz beider Völker vergeben. Die zahlreichen Bemühungen der Humanistischen Union die Preisverleihung in einem städtischen Raum wie im Kulturzentrum Gasteig stattfinden zu lassen, scheiterten. Zur Begründung gab die Leitung des Gasteigs an: "Ihre Preisträgerin Frau Bernstein steht zumindest in der Funktion als Verantwortliche - das bin ich nicht, ich bin die jüdische Sprecherin - der  Jüdisch-Palästinensische-Dialog-Gruppe auf der Unterstützerliste der BDS-Kampagne.

Die Dialoggruppe unterstützt diese gewaltlose palästinensische Initiative, weil sie die Kampagne für eine der wenigen wirkungsvollen Initiativen hält, nachdem die deutsche und die internationale Politik bei der Lösung des Nahostkonflikts völlig versagt haben. (Beifall). Das Kulturzentrum bezog sich bei seiner Absage auf den Beschluss des Stadtrates. Deswegen fand die Preisverleihung in fast letzter Minute in einem Kino statt. Eine Gruppe, die sich hochtrabend "Münchner Bürger gegen Antisemitismus und Israelhass" nennt, hatte sich durch den Beschluss des Stadtrates ermutigt gefühlt, den Besitzer des Filmtheaters aufzufordern, die Vermietung an die Humanistische Union rückgängig zu machen. "Organisieren sie Veranstaltungen mit der BDS, können sie ebenso die NPD unterstützen." An der Preisverleihung nahmen dann fast 350 Menschen teil. Eine politische Ohrfeige für die Antragsteller. Doch unsere Zeitungen blieben stumm.

Ende März 2013 haben wir den Film Broken von Mohammed Alatar aus Ramallah im Eine-Welt-Haus[14] gezeigt. Der Film beleuchtet die Hintergründe, warum der Internationale Gerichtshof (IGH) den Bau der Mauer auf palästinensischem Boden der Westbank für völkerrechtlich illegal hielt und beleuchtet die persönlichen Entscheidungsprozesse der Richter in Den Haag.[15] Auch diesmal wollte das Kulturreferat der Stadt auf Anweisung des Oberbürgermeisters die Vorführung untersagen, obwohl der Film mit BDS nichts zu tun hatte. Die Begründung für das Verbot lautete: Bei einer Gesamtschau der Veranstaltung ist davon auszugehen, dass bei lebensnaher Betrachtung die Diskussionsveranstaltung nicht ohne eine Befassung mit den Zielen und Themen der BDS-Kampagne auskommt, da insbesondere ein zentrales Ziel der BDS-Kampagne der Abriss der Mauer ist.[16] So etwas nenne ich vorauseilenden Gehorsam. Alatar wird in der nächsten Zeit in Deutschland sein um den Film zu zeigen.

Unser letzter Fall fand vor Kurzem statt. Trotz der Beiträge im SPIEGEL zur Lobbyarbeit Israels in Deutschland [17] beziehen sich sämtlich Politiker, Institutionen und Kirchengemeinden auf die Anti-BDS-Bundestagserklärung vom 17. Mai 2019,  obwohl die Bundesregierung den Beschluss nicht in ein Gesetz umsetzt. Dies wurde uns vom Bundeskanzleramt, Auswärtigem Amt und von Nils Schmid, außenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion bestätigt. Deshalb haben wir einen der Journalisten, der an dieser Recherche beteiligt war, nach München eingeladen um über die Rolle israelischer Lobbyorganisationen in der deutschen Politik zu referieren. Auf Druck von Frau Knobloch hat uns der Caritas-Verband den Raum fristlos gekündigt und sogar ein Hausverbot erteilt. Auch hier musste eine einstweilige Verfügung her. Zu diesen Ereignissen wurden Leserbrief an die SZ versandt, die allerdings nie gedruckt wurden. Muss dazu sagen, heute gibt es zum ersten Mal in der Süddeutschen Zeitung kritische Leserbriefe. Zu ersten Mal. Deshalb schrieb ich an dem Chefredakteur, "mir ist bekannt, dass viele Leserbrief bei Ihnen eingegangen sind, bis heute sind sie nicht veröffentlicht worden. Ich halte dies für sehr bedenklich, wenn Leser und Betroffene nicht die Möglichkeit haben, voreingenommene Journalisten zu widersprechen, dann wird die Presse- und Meinungsfreiheit untergraben und die Öffentlichkeit manipuliert."

BDS soll also wegen ihres Boykottaufrufes bekämpft werden, in dem man mit Boykott droht. Durch den Kampf gegen die BDS-Kampagne soll jede kritische Auseinandersetzung mit der Politik Israels unterbunden werden. BDS kommt den Politikern sehr gelegen. Gäbe es diese Bewegung nicht, hätte man sie erfinden müssen. Sie dient als Ablenkungsmanöver (Beifall).

BDS hat den Diskurs in Deutschland verändert. BDS spricht nicht nur von Besatzung sondern von Apartheid. Damit wird ein anderes Bild von Israel gezeichnet, in dem die nicht-jüdischen Bürger einem anderen Rechtssystem unterliegen. Die Unterstützer Israels weigern sich ein reales Bild von Israel zu zeigen. Die Enteignung von palästinensischem Land für jüdische Siedlungen, die Inhaftierung von Palästinensern ohne Gerichtsverfahren oder Anklage, die kollektive Bestrafung von 2 Millionen Menschen im Gaza-Streifen unter Belagerung und die Ungleichheit zwischen jüdischen und arabischen Bürgern Israels. Darüber soll man in Deutschland nicht sprechen dürfen. Wenn BDS mit Antisemitismus gleichgesetzt wird, dann sind wohl Forderungen für die Rechte der Palästinenser antisemitisch. Solange in Deutschland nur über den vermeintlichen oder den tatsächlichen Antisemitismus diskutiert wird, nicht aber über die Annexion Jerusalems, der Westbank und des Jordantals, sowie die katastrophalen Verhältnisse im Gazastreifen, bleibt uns der Gang zum Gericht nicht erspart.

Wie einige vielleicht wissen hat mein Mann die Vorsitzende der DIG Stuttgart verklagt, nachdem sie behauptet hatte, er würde BDS unterstützen und somit sei er Antisemit. Er hat den Prozess gewonnen. Es ist ja immer das gleiche Schema. Man beschuldigt jemand BDS zu unterstützen oder sich nur mit BDS zu befassen, dann ist er Antisemit und man muss ihn mundtot  machen.

In einem zweiten Prozess haben wir Arye Sharuz Shalicar verklagt. „Direktor für Auswärtige Angelegenheiten im Ministerium für Nachrichtendienste im Büro des israelischen Ministerpräsidenten" vorstellt. Er arbeitet für den israelischen Außenminister. Shalicar wird immer wieder von der DIG zu Lesereisen eingeladen, die vom Antisemitismusbeauftragten der Bundesregierung Felix Klein gefördert werden. In diesen Tagen ist er in Berlin, Erfurth und Halle. Bischof Abromeit, hat er in einer unverschämten Art beleidigt. In seinem Buch, der neue deutsche Antisemit hat er mich als Alibi-Jüdin und meinen Mann als jemanden beschimpft "der tote Juden liebt und sie mit Stolpersteinen ehrt - dazu muss man wissen, in München gibts keine Stolpersteine , nur auf privaten Grund, weil Frau Knobloch dagegen ist - aber mit lebendigen Juden ein Problem hat, weshalb er eine Organisation unterstützt, die zum Boykott lebendiger Juden und jenen, die mit ihnen in Frieden leben, aufruft. Bernstein will wie die Münchner Elite sein und tut alles um wie sie gekleidet zu sein, zu sprechen und sich zu benehmen."  Hermann Göring lässt grüßen.

 

Weder ist mein Mann Jude noch unterstützt er BDS. Andere Gruppen, wie zum Beispiel das Aktionsforum Israel übernehmen diese Verleumdungen. Auf ihrer Facebook-Seite schrieben sie vor Kurzem: Das Paar Bernstein propagiert in Vorträgen Terror gegen Juden. Wenn sich Vertreter der israelischen Regierung derart unverschämt über Deutsche äußern die seit Jahrzehnten an einer konstruktiven Lösung in Nahost arbeiten, dann muss man sich hierzulande fragen, weshalb sie seitens der deutschen Regierung hofiert und unterstützt werden. In der Auseinandersetzung mit dem Iran besitzt Shalicar die Frechheit Franz Walter Steinmeier, Angela Merkel und Heiko Maas anzugreifen.

In meinem Schreiben an die Antisemitismusbeauftragte in Nordrheinwestfalen Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, die wir persönlich kennen, habe ich sie gefragt, was für ein öffentlicher Aufschrei wäre hier zu erwarten, wenn eine Vorlage, wie jene des israelischen Nationalstaatsgesetz für das jüdische Volk vom Juli 2018 eingebracht würde, wonach Deutschland nur den deutschen Christen gehöre. Wie würde die deutsche Reaktion ausfallen, wenn sich in Berlin und in den Bundesländern Minister und Abgeordnete weigern würden mit Juden zusammen zu arbeiten? Wir müssen unseren Politikern klar machen, dass sie mit ihrer Politik bei der Bevölkerung ihre Glaubwürdigkeit verlieren.

Es ist kein Wunder, dass sich Premierminister Netanyahu an 17. Mai 2019 beim Bundestag bedankt hat. Dieser Beschluss, sowie die bisherige Politik vor allem der Bundesregierung haben dazu geführt, dass Israel das Gefühl der Narrenfreiheit hat. Es muss unseren Politikern klar sein, dass sie mit ihrer falsch verstandenen Solidarität zu Komplizen eines ungerechten Regimes geworden sind. Wollen sie das wirklich? Glauben sie, dass sie das historische Unrecht an den Juden mit einem neuen Unrecht an den Palästinensern wieder gut machen können? Ich glaube, dass es bei diesem Konflikt allmählich um den Abbau unserer eigenen Demokratie geht. Der Kampf gegen uns ist ein Teil des Rechtsrucks hierzulande. Heute sind es Themen wie die Geflüchteten in Iran und oder Palästina. Morgen können das die Obdachlosen und Behinderten sein und übermorgen sind wir dran. Ich möchte aber betonen, dass weder die Dialoggruppe noch mein Mann und ich uns als Opfer sehen. Opfer sind die Palästinenser und die linken Israelis die dort leben. Wir kämpfen für Gerechtigkeit und werden uns auch in Zukunft für die Rechte der Palästinenser und eine friedliche Lösung einsetzen.

vielen Dank

 

Matthias Jochheim

Danke für den engagierten Beitrag der aus dem lebendigen Engagement heraus kommt (????). Unsere Veranstaltung hat ja auch den Sinn sich nicht nur mit spezifischen Problemen zu beschäftigen, sondern mit dem Symptomatischen daran. Das Symptomatische, würde ich sagen, ist z.B. in der Presse eine objektive und umfassende Darstellung der Probleme zu erreichen. Das ist eine riesen Arbeit, eine große Mühe. In München, die Süddeutsche Zeitung, die man eigentlich immer als ein liberales Blatt geschätzt hat, ist da offenbar schon ziemlich hartleibig geworden tatsächlich ein umfassendes Bild zu schildern (unverständlich - Frage an Judith Bernstein).

Judith Bernstein:

 

Im Politischen Teil - ich hab selber Frau Föderl-Schmid [18] kennen gelernt - die schreibt alles, es wird irgendwie nicht wahrgenommen.[19]

Matthias Jochheim

 

Als nächstes möchten wir jetzt nach der Sichtweise einer engagierten jüdischen Friedensengagierten würden wir jetzt gerne Khalid Hamad hören, von der palästinensischen Seite, der in der KOPI (Deutscher Koordinierungskreis Palästina Israel) mitarbeitet, die übergreifenden Anspruch hat, sich mit der Problematik in Nahost zu beschäftigen. Er ist außerdem der Vorsitzende der palästinensischen Gemeinde in Deutschland. Er hat zentrale Funktionen in verschiedenen zivilgesellschaftlichen, palästinensischen Organisationen in Deutschland.

 

Referat Dr. Khalid Hamad

 

Schönen Abend erst Mal. Ich versuche jetzt natürlich nach dem ????, versuche ich so kurz wie es geht darüber zu sprechen. Erst Mal möchte ich mich bedanken bei der IPPNW [20] für die Veranstaltung und für die ???digkeit, dass die Veranstaltung stattfindet in diesem Rahmen und so wie vorgeplant. (Beifall). Vielen Dank. Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freunde. In den letzten Jahren ist die Initiative der pro-israelischen Lobby stärker geworden. Durch ihren Druck und manchmal Repressalien wurde versucht mehr als 200 Veranstaltungen zu verhindern, angeblich viel mehr.

Ich stelle die Frage, ist das ein deutsches Phänomen? Ich antworte ohne zu zögern nein! In mehreren europäischen Ländern wird das Gleiche versucht. Beispiel: Im Dezember 2017 hatten wir die vierte Konferenz der europäischen Allianz für die Solidarität mit den palästinensischen Gefangenen in Den Haag organisiert. Die Reservierung im Hotel wurde drei Tage vor der Konferenz storniert, weil man keine Probleme haben wollte. So wurde uns gesagt. Ein Mitarbeiter erzählte, dass jemand alle finanziellen Verluste an dem Hotel bezahlt hat. Wir sahen, dort wurde viermal zurückgezogen. Die vier Personen, die zu dieser Konferenz eingeladen haben, wurden antisemitisch und als Sympatisanten der Terroristen bezeichnet. Es waren Felicia Langer, Prof. Norman Peach, Annette Groth und ich. Es fehlte nicht an Zeitungen, Radio oder sogar Fernsehen in Holland, die sowas verbreitet haben oder zum Glück, zum kleineren Teil, uns verteidigten.

Ich denke die Initiative der pro-israelischen Lobby in Europa ist kein Zufall. Jetzt, 70 Jahre nach der Gründung Israels, ist ganz Palästina unter israelischer Kontrolle. Auch Gaza kann praktisch ohne Israel nichts unternehmen. Sieben Millionen Flüchtlinge verteilt in Libanon, Jordanien, Syrien und Zypern?. 6,5 Millionen leben immer noch in Palästina. Die Situation ist, Jerusalem und Golanhöhen wurden annektiert. Rufe nach der Annexion weiterer Gebiete werden immer häufiger. Das ist die Situation, die jeder kennt.

Welche Lösungsmöglichkeiten gibt es überhaupt. Lösungsmöglichkeiten des Palästinaproblems als Alternative für die jetzige Lage des Status quo, Israels Lieblingslage sind drei Möglichkeiten.

Zweistaatenlösung. Die PLO hat das Programm angenommen. Das Programm sieht vor das Selbstbestimmungsrecht der Palästinenser in einem palästinensischen Staat neben Israel auf den von Israel 1967 besetzten Gebieten, einschließlich Ostjerusalem als Hauptstadt, Rückkehrrecht der palästinensischen Flüchtlinge in ihre Häuser, wie der UNO-Beschluss 194 von 1948 vorsah. Diese Zweistaatenlösung hat weiterhin internationale Unterstützung, auch wenn nur wörtlich.

Einstaatenlösung auf ganz Palästina. Alle Bürger haben die gleichen Rechte und Pflichten. Diese Lösung wird aus demografischen und ideologischen Gründen von Israel nie akzeptiert. Die Gesetzeslage muss total geändert werden, um die Gleichberechtigung zu ermöglichen. Für die Palästinenser wäre es wichtig, die Siedlungen auf der Westbank und in Jerusalem aufzulösen. Ein Verzicht auf das Rückkehrrecht der Palästinenser käme auch nicht in Frage.

Eine Staatslösung als jüdischer Staat, diese Lösung wird von der jetzigen Netanyahu-Regierung vorangetrieben. Die jüdische Bevölkerung genießt alle Rechte, die Palästinenser werden als Gäste im eigenen Land behandelt. Diese Lösung wird massiv von der Trump-Regierung unterstützt. Deswegen hatte Trump die Botschaft nach Jerusalem verlegt. Die Siedlungen sollten als legal bezeichnet und das Rückkehrrecht der Flüchtlinge aberkannt werden.

Auch der Beschluss vom Deutschen Bundestag vom 17.5.2019 geht leider in diese Richtung. Bis ca. 2000 war Ziel der israelischen Regierung die abgespeckte Form der Zweistaatenlösung. Die amerikanische Politik war auch in dieser Richtung, Road Map usw. [21] Für diese Lösung brauchten sie einen palästinensischen Partner mit allen Konsequenzen - gute und schlechte. Ich meine, dass die israelische Regierung sich von der Zweistaatenlösung schon lange ganz verabschiedet hat und das Ziel einer jüdischen Einstaatenlösung verfolgt. Das Nationalgesetz wurde ja verabschiedet. Für diese Lösung braucht die israelische Regierung keinen palästinensischen politischen Partner. Das erklärt die aggressiven Maßnahmen der Besatzungsarmee. 7000 Gefangene, Zerstörung der Häuser, Entwurzelung der Bäume usw. Außerdem werden die Menschenrechtsorganisationen in Israel und deren Mitarbeiter gezielt angegriffen, wie ??? und Amnesty International. Auf internationaler Ebene kommen die Aktionen, die wir in Deutschland und Europa kennen, als logische Folge. Der Druck auf Medien und Politik, der Organisierung der proisraelischen Lobby und Unterstützung mit Geld und Infrastruktur wurde ja von Journalisten beschrieben.  Es wird versucht jede Kritik an der israelischen Politik zu verbieten. Zum Schluss denke ich, dass wir eine Chance haben dagegen zu wirken, denn das deutsche Gesetz ist auf unserer Seite. Meinungsfreiheit gilt für alle. Das haben wir heute auch gesehen. Also es ist nicht alles negativ. Wir sollten uns nicht in den Hinterhöfen verstecken. Wir können auf der Straße Kundgebungen durch führen , das Gesetz verbietet uns das nicht. Ich schließe mit der Hoffnung auf eine friedliche Lösung des Palästinaproblems und hoffe auch auf friedlichen Zusammenleben der Menschen in Palästina, gleichberechtigt, egal welche Religion oder Nationalität sie haben. Vielen Dank.

 

 


[1] NGO = Non-Goverment-Organisation = Nichtregierunsorganisation

[2] Im April 2017 wurde das „Lex CEU“ genannte Gesetz verabschiedet, das die Existenz der Universität in Budapest gefährdet

[3] Transparence International bekämpft Korruption weltweit

[4] Die Genannten Politiker äußerten sich i.S. einer Befürwortung der Aberkennung der Gemeinnützigkeit der DUH

[5] Micha Brumlik war im Sozialistischen Büro, eine Organisation der neuen, nach 1968 entstandenen Linken.

[6] Jüdisch-Palästinensische-Dialog-Gruppe, deren jüdische Sprecherin Judith Bernstein ist.

[7] Dr. Reiner Bernstein ist Publizist und Vertreter der Genfer Initiative in Deutschland (https://de.wikipedia.org/wiki/Genfer_Initiative)

[8] Deutsch Israelische Gesellschaft

[9] Janus-Korczak-Akademie (EJKA) ist eine jüdische Bildungseinrichtung

[10]  Christoph Glanz ist BDS-Aktivist in Oldenburg

[11] Frau Bernstein gehörte zu den Organisatorinnen und war von der SZ vermutlich gemeint

[12] Eine liberale israelische Zeitung

[13] 2017

[14] Ein Kulturzentrum in München

[15] https://www.ezef.de/veranstaltungen/broken-mit-regisseur-mohammed-alatar/3710

[16] Die Mauer wird auch von der Deutsche Bundesregierung (https://de.wikipedia.org/wiki/Israelische_Sperranlagen_(Westjordanland)), der EU-Kommission und der UNO (durch den IGH)  ablehnt bzw. es wird ihre Beseitigung gefordert (http://www.spiegel.de/politik/ausland/uno-gerichtsurteil-israel-soll-die-mauer-wieder-einreissen-a-307938.html).    

[17] Es geht um den Artikel: "Gezielte Kampagne" - Lobbyismus. Ein deutschjüdischer und ein proisraelischer Verein haben im Bundestag ein enges Netz gespannt - mit fragwürdigen Methoden. Es geht um eine andere Nahostpolitik; DER SPIEGEL, Nr. 29, 13.7.2019

[18] Korrespondentin der Süddeutschen Zeitung in Israel

[19] Es geht darum, dass die Lokalredakteure, die über Veranstaltungen in München berichten, nicht wahrnehmen, was die Nahostkorrepondenten der SZ schreiben.

[20] International Physicians for the Prevention of Nuclear War =  Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges

[21] Friedensplan Road Map (Fahrplan) wurde 2002 vom sogenannten Nahost-Quartett (UNO, USA, EU und Russland) ausgearbeitet.