Meine Rede bei der Demo der Frauen in Schwarz am 14. Mai 2021 auf der Theresienwiese, München

Eigentlich wollten wir heute an die Nakba - die palästinensische Katastrophe von 1948 erinnern. Aber die letzten Tage haben gezeigt, dass die Nakba nie aufgehört hat – sie findet bis zum heutigen Tag statt. 1948 wurden die Palästinenser vertrieben und 2021 werden sie weiterhin vertrieben.

Was hat sich die israelische Regierung dabei gedacht, dass dieser Zustand ewig anhalten wird? Wer Augen im Kopf hat konnte sehen, dass diese unhaltbare Situation eines Tages platzen wird. Aber nicht nur Israel ist an der jetzigen Explosion schuld. Auch die Amerikaner und die Europäer und vor allem Deutschland. Denn seit Jahren hat man nicht nur die Aggression Israels nicht verhindert, sondern sie sogar unterstützt. 

Während in Palästina die Enteignung von palästinensischem Land und Häusern für Siedler, die Inhaftierung von Palästinensern ohne Gerichtsverfahren und die kollektive Bestrafung von zwei Millionen Menschen im Gazastreifen unter Belagerung stattfinden, wird bei uns über BDS und Antisemitismus diskutiert – ohne ein Wort über die Besatzung zu verlieren. 

Wie wir in den letzten Tagen gesehen haben, rächt sich jetzt auch die Apartheid – die Ungleichheit zwischen jüdischen und palästinensischen Bürgern Israels. Nicht nur in Silwan und Sheikh Jarrah werden seit Jahren Häuser für Siedler enteignet. Nach dem Abzug aus dem Gazastreifen wurden z.B. in Jaffa Palästinenser zugunsten von Siedlern aus ihren Häusern vertrieben. 

In Ostjerusalem, in der Westbank, in Gaza aber auch in Israel wächst eine junge Generation von Palästinensern auf, die sich nicht mehr von Israel ihren Alltag diktieren lassen will. Es ist eine Generation, die keine Perspektive, keine Zukunft und nichts zu verlieren hat. In den sozialen Medien sehen sie, wie andere Jugendliche in der Welt leben. Was sie wollen, ist in Frieden, in Würde und gleichberechtigt leben.  

Herr Schuster verlangt von der deutschen Regierung Solidarität mit Israel. Um welches Israel handelt es sich? Um das von Moshe Zuckermann, Ilana Hammerman und den Friedensgruppen in Israel – damit kann ich mich durchaus solidarisieren. Oder meint er das Israel von Netanyahu, der die Siedler hofiert und sie großgemacht hat und seit Jahren gegen die Palästinenser, nicht nur in den besetzten Gebieten, sondern auch in Israel hetzt. Zum Nationalstaatsgesetz, das Israel zum jüdischen Staat erklärt, in dem die nicht-jüdischen Bürger auf den Sekundärstatus herabgestuft werden, habe ich keine Reaktionen von unseren Politikern vernommen.

Stattdessen wird auch bei uns immer noch von der Zwei-Staatenlösung gesprochen – wo bittschön soll der Staat Palästina entstehen? Die letzten Tage haben aber gezeigt, dass auch die Einstaatenlösung obsolet geworden ist. Durch das Zögern, auf Israel Druck auszuüben, hat die sogenannte Weltgemeinschaft dazu beigetragen, dass keine Lösung in Sicht ist – eine Katastrophe für beide Völker.