Antrag auf Akteneinsicht zum Thema: Rechtliche Umsetzung des BDS-Beschlusses der Stadtverordnetenversammlung vom 28.9.2017

Frankfurter Bürgerinnen und Bürger:

Elisabeth Abendroth, Renata Berlin, Herbert Kramm-Abendroth,

Renate Schnur-Herrmann, Helmut Suttor, Prof. Dorothee Roer, Dr. Ingo Roer

 

Dezernat II - Finanzen, Beteiligungen und Kirchen

Römerberg 23

60311 Frankfurt am Main

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Antrag auf Akteneinsicht zum Thema:

Rechtliche Umsetzung des BDS-Beschlusses der Stadtverordnetenversammlung vom 28.9.2017

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

wir beantragen hiermit Akteneinsicht zu rechtlichen Stellungnahmen des Rechtsamts der Stadt Frankfurt, ggf. auch anderer städtischer Ämter bzw. externer Berater zum BDS-Beschluss der Stadtverordnetenversammlung vom 28.9.2017

 

Antisemitismus keinen Raum geben - BDS aktiv entgegentreten.

 

Begründung:

 

Der Beschluss wurde nach Debatte in der StVV am 28.9.2019 gefasst  mit der "Maßgabe (...) dass der Magistrat der Stadt Frankfurt am Main prüft und berichtet, ob und wie die Inhalte der Vorlage umzusetzen sein könnten, und berichtet, wie die Umsetzung der unter Ziffern eins bis vier genannten Maßnahmen im jeweiligen Berichtszeitraum erfolgt ist."[1]

 

Die Maßgabe zur Umsetzung beinhaltet einen organisatorischen und rechtlichen Aspekt. Zur organisatorischen Umsetzung liegt ein Bericht des Magistrats vom 5.3.2018 vor.[2] Ein Bericht zur Klärung der offenen rechtlichen Fragen fehlt. Dies, obwohl der Klärungsbedarf zu offenen Rechtsfragen von verschiedenen StV in der Debatte angemahnt wurde.

Im zeitlicher Nähe zur Beschlussfassung versicherte Bürgermeister Uwe Becker lt. Frankfurter Rundschau vom 29.9.2019,[3] der Beschluss sei „vom Rechtsamt der Stadt abgeklärt worden“ und deshalb „rechtlich und handwerklich in Ordnung“.

Der gesamte Sachverhalt legt nahe, dass es zum Zeitpunkt der Abstimmung allenfalls eine auf das Rechtsamt gestützte Zusicherung Uwe Beckers an die StV gegeben hat, die offenen Fragen seien geklärt. Eine für die Öffentlichkeit oder auch nur für die StVV nachvollziehbare Klärung hatte offensichtlich nicht stattgefunden.

Aus den Reihen der StVV ist die Anfrage von Dr. Uwe Schulz (FDP)[4]

Anfrage der FDP-Fraktion:

Rechtliche Umsetzung des BDS-Beschlusses der Stadtverordnetenversammlung

nach über zwei Jahren die erste Initiative mit dem Ziel den Magistrat zu veranlassen, sich zur Klärung offener Rechtsfragen zu äußern. Niemand sonst hat hier nachgehakt, auch jene StV nicht, die in der Debatte Klärungsbedarf anmahnten.

Desgleichen haben Medien weder nach der Einlösung des rechtlichen Aspekts der Maßgabe der Frankfurter StVV gefragt, noch die rechtlichen Probleme der BDS-Beschlüsse in Frankfurt und Deutschland thematisiert.   

Angesichts der offensichtlichen (Grund)gesetzwidrigkeit des BDS-Beschlusses steht im Hinblick auf die oben zitierte Aussage des Herrn Becker der Verdacht im Raum, dass er entweder nicht die Wahrheit gesagt hat oder, dass vom Rechtsamt ein Gefälligkeitsgutachten erstellt wurde, das der Öffentlichkeit vorenthalten werden soll.

Die übliche Dreimonatsfrist zur Beantwortung der Fragen von Dr. Schulz ist am 5.3.2020 abgelaufen. Der Magistrat / Uwe Becker haben um eine Verlängerung gebeten. Warum eigentlich, wenn das städtische Rechtsamt die offenen Rechtsfragen schon im September 2017 abklärte und den Beschluss als  rechtlich und handwerklich in Ordnung befand?

Die hier relevanten verfassungsrechtlichen Fragen sind in der Rechtsprechung geklärt. Dies wird nicht zuletzt durch Verwaltungsgerichtsurteile zu Raumverboten mit BDS-Bezug (s. Anhang 1) bestätigt.

Diese Urteile besagen u.a. dreierlei:

Þ     Die BDS-Beschlüsse sind politische Resolutionen oder Willenserklärungen aber keine Gesetze und deswegen vor deutschen Gerichten nicht entscheidungsrelevant, sie dürfen deswegen rechtlich auch nicht handlungsrelevant für Kommunalverwaltungen sein (vgl. Frage 3 / Anfrage Schulz - VG Köln S.5);

Þ     BDS als zivilgesellschaftliche Bewegung ist organisatorisch zu heterogen, als dass pauschal aus Unterstützung oder Mitgliedschaft rechtlich relevante Schlussfolgerungen bezogen auf einzelne Personen oder Gruppen ableiten könnte - insofern wird implizit Einzelfallprüfung angemahnt (OVG Lüneburg Rn 8);

Þ     nach den allgemeinen Beweisregeln haben die Städte den Beweis zu führen, dass Antisemitismus vorliegt (vgl. Frage 6 / Anfrage Schulz - OVG Lüneburg Rn 7).  

Die bisher bekannte Verwaltungspraxis in Frankfurt, wie sie durch den Magistrat unter Federführung von Bürgermeister Becker gehandhabt wird, widerspricht allen drei genannten Punkten.

BDS-Beschlüsse auf kommunaler Ebene sind Verwaltungsakte in der Form einer generellen Widmungsbeschränkung[5] mit dem Ziel BDS-Mitglieder oder Unterstützer von der städtischen Raumvermietung auszuschließen. Als Verwaltungsakte gehören sie zur Kategorie der Eingriffsverwaltung, weil sie in Grundrechte eingreifen.

Der Frankfurter BDS-Beschluss, wie diese Beschlüsse ganz allgemein, beinhalten folgende (Grund)rechtskonflikte:

Þ     Auf kommunaler Ebene handelt es sich bei diesen Beschlüssen um Verwaltungsakte der Kategorie "Eingriffsverwaltung", d.h. sie greifen in Grundrechte ein.[6] Dafür ist die Gesetzesform vorgeschrieben. In der Frankfurter Verwaltungspraxis besteht, wie andernorts auch,  dennoch die Tendenz den Beschluss wie ein Gesetz zu behandeln.

Þ     Meinungsfreiheit Art. 5 GG und der Gleichheitsgrundsatz Art. 3 GG: Nach dem Recht sind alle Personen und Gruppen der jeweiligen Kommune gleich zu behandeln, solange sie sich nicht in Widerspruch zur Freiheitlich Demokratische Grundordnung stellen. Die Beweislast hat jeweils die Kommune.

Þ     Die BDS-Beschlüsse stellen eine massive Verletzung des sog. Demokratiegebots dar. Dieses wird abgeleitet aus Art 20 Abs. 2 GG (Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus). Es besagt, dass der Staat und staatliche Amtsträger in amtlich-staatlicher Funktion nicht regelnd und lenkend in die Willensbildung der Gesellschaft eingreifen dürfen. Die Willensbildung "von unten nach oben" muss gewährleistet und frei von staatlicher Einmischung bleiben. Die BDS-Beschlüsse sind das gerade Gegenteil. Sie laufen auf eine Umkehrung des Demokratiegebots hinaus. Nicht nur in Frankfurt greifen Stadtverwaltungen einseitig,  "von oben nach unten", regelnd und lenkend in die örtlichen Antisemitismus- und Nahostdebatten ein. Nicht erst ein Raumverbot ist ein solcher Eingriff. Schon die BDS-Beschlüsse als öffentliche Erklärung widersprechen dem Demokratiegebot als staatlicher Eingriff in eine Debatte, die auf beiden Seiten von Bürger*innen mit und ohne jüdischen Hintergrund bestritten wird.

Þ     Insbesondere für Frankfurt gilt: Bürgermeister und Antisemitismus-Beauftragter Becker verletzt fortgesetzt die Rechtsgrundsätze,  die für die Äußerungsbefugnis für Amts- und Hoheitsträger definiert sind. Er hält sich noch nicht einmal an die Regeln, die mit den BDS-Beschlüssen festgelegt wurden. Diesen liegt die IHRA-Arbeitsdefinition für Antisemitismus zu Grunde, wonach Antisemitismus-Vorwürfe zu begründen sind, durch konkrete Aussagen und deren Kontextualisierung.

Zusammenfassend ist festzustellen:

Zum BDS-Beschluss Frankfurt haben alle demokratischen Kontrollinstanzen in Stadt-Parlament, Parteien und Medien-Öffentlichkeit versagt. Die StVV stellte keine Fragen, obwohl die Kollision des Beschluss mit einer ganzen Reihe von Grundrechten auf der Hand lag. Die Medien zeigten ebenso wenig ein auch nur elementares Problem- und Grundrechtsbewusstsein.

Deswegen fordern wir als Bürger Akteneinsicht. Abgesehen von unserem persönlichen Interesse an rechtsstaatlichen Verhältnissen in unserer Stadt besteht daran vor dem Hintergrund der geschilderten Sachverhalte ein massives öffentliches Interesse.

Mit freundlichen Grüßen

Helmut Suttor - auch im Namen der genannten Frankfurter Bürgerinnen und Bürger

Laubestr 6

60594 Frankfurt

 

 

Anhang 1:

Verwaltungsgerichtsurteile mit BDS-Bezug

1.      BDS-Gruppe Oldenburg vs. Stadt Oldenburg:

a.       VG Oldenburg (Oldenburg) 3. Kammer, Urteil vom 27.09.2018, 3 A 3012/16,

http://www.rechtsprechung.niedersachsen.de/jportal/?quelle=jlink&docid=MWRE190000178&psml=bsndprod.psml&max=true

b.       OVG Lüneburg 10. Senat, Beschluss vom 27.03.2019, 10 ME 48/19, http://www.dbovg.niedersachsen.de/jportal/portal/page/bsndprod.psml;jsessionid=87F376A6DAAE102C3165B88164382015.jp12?doc.id=MWRE190001146&st=null&doctyp=juris-r&showdoccase=1&paramfromHL=true#focuspoint

2.       Palästinensische Gemeinde Deutschland vs. Stadt Bonn:

VerwaItungsgericht Köln BeschIuss 14 L 1747/19

 

 


[1] W o r t p r o t o k o l l  über die 17. Plenarsitzung der Stadtverordnetenversammlung am Donnerstag, dem 28. September 2017 (16.01 Uhr bis 23.50 Uhr) https://www.stvv.frankfurt.de/PARLISLINK/DDW?TEXT=BDS&TEXT_O=beinhaltet%20(und)&DATUM_2=01.01.2017&DATUM_BIS_O=kleiner+gleich&DATUM=31.12.2017&DATUM_O=gr%F6%DFer+gleich&DOKUMENTTYP=TAGO%27,%27NIED%27,%27FRAG%27,%27WORT%27,%27BESC%27,%27VORL&FORMFL_OB=DATUM&FORM_SO=Absteigend&?12?5?

[2] Bericht des Magistrats vom 05.03.2018, B 68 https://www.stvv.frankfurt.de/PARLISLINK/DDW?TEXT=BDS&TEXT_O=beinhaltet%20(und)&DATUM_2=01.01.2017&DATUM_BIS_O=kleiner+gleich&DATUM=31.12.2018&DATUM_O=gr%F6%DFer+gleich&DOKUMENTTYP=TAGO%27,%27NIED%27,%27FRAG%27,%27WORT%27,%27BESC%27,%27VORL&FORMFL_OB=DATUM&FORM_SO=Absteigend&?19?5?

[3] https://www.fr.de/frankfurt/spd-org26325/frankfurt-schwaecht-aktion-gegen-11030455.html

[4] https://www.stvv.frankfurt.de/download/A_602_2019.pdf

[5] Eine Widmung definiert den Nutzungsrahmen einer Einrichtung, sie ist i.d.R. der Satzung zu entnehmen.

[6] https://iurratio.de/journal/staatsorganisationsrecht-das-rechtsstaatsprinzip/