Am 10.05.2025 wurden unsere Mitglieder Rihm M. Darwish und Shelly Steinberg eingeladen, bei der Biennale Bavaria International in Altötting den Filmpreis Saphira in der Kategorie Courage für “No other Land” stellvertretend für die Regiesseure Basel Adra und Yuval Abraham entgegenzunehmen.
Hier können Sie die Rede von Rihm M. Darwish nachlesen:
Guten Abend,
ich spreche heute zu Ihnen als Palästinenserin. Und ich spreche nicht nur mit Worten, sondern mit einem Gewicht im Herzen, das sich kaum in Sprache fassen lässt. Denn was ich heute ehren darf, ist nicht einfach ein Film – es ist ein Aufschrei. Ein Akt des Überlebens. Eine Form des Widerstands gegen das Vergessen.
No Other Land ist nicht das Werk von Menschen, die aus sicherer Distanz berichten. Es ist der Versuch, mit der Kamera das zu dokumentieren, was man mit bloßen Worten nicht mehr sagen kann. Es ist das Zeugnis von Menschen, denen der Boden unter den Füßen genommen wurde – buchstäblich.
Dass Basil, ein junger Palästinenser, diese Geschichte erzählen musste, ist keine künstlerische Entscheidung. Es war Zwang. Es war Verzweiflung. Es war Notwehr gegen das Unsichtbarwerden. Er wollte kein Filmemacher sein. Er wollte einfach leben – in seiner Heimat, in Ruhe, in Würde. Doch das wurde ihm nicht erlaubt.
Und es ist eine schmerzhafte Wahrheit, dass dieser Film, hätte Basil ihn alleine gedreht, wohl kaum gesehen, gehört, beachtet worden wäre. Erst durch die gemeinsame Arbeit mit einem israelischen Aktivisten bekam er Sichtbarkeit. Das ist kein Vorwurf an diese Zusammenarbeit – sie verdient großen Respekt. Aber es ist ein Abbild der Realität: Die Stimme eines Palästinensers allein reicht nicht aus, um gehört zu werden. Nicht in der westlichen Öffentlichkeit. Nicht in Europa. Nicht in Deutschland.
Dass dieser Film heute in der Kategorie Courage ausgezeichnet wird, ist mehr als berechtigt. Denn was hier geleistet wurde, ist Mut in seiner reinsten Form: Menschen, die unter der Bedrohung des Verlustes ihrer gesamten Existenz weiter filmen, weiter erzählen, weiter hoffen – das ist keine filmische Leistung allein. Das ist Courage.
Der Film zeigt uns das Westjordanland – die West Bank. Wir sehen Bulldozer, die Häuser zerstören. Soldaten, die Familien vertreiben. Wir spüren die Angst, die Hilflosigkeit, das Ausharren. Und doch: So bitter das klingt – das, was wir dort sehen, ist nur ein Ausschnitt. Es ist ein Fenster in ein System, das noch viel grausamer geworden ist.
Denn wenn wir den Blick heute nach Gaza wenden, sehen wir kein Fenster mehr, sondern zerstörte Existenzen. Was in Gaza geschieht, sprengt jede Vorstellung. Es werden nicht nur Häuser dem Erdboden gleichgemacht – es werden Familien ausgelöscht, Städte zerstört, eine gesamte Bevölkerung ausgeliefert an Hunger, Schmerz und Tod. Wir erleben einen Genozid – ausgeführt vom israelischen Staat an der palästinensischen Bevölkerung.
Niemand wird jemals behaupten können, es nicht gewusst zu haben.
Das auszusprechen ist kein Tabu. Es ist eine Pflicht.
Und es geschieht nicht im luftleeren Raum. Es geschieht vor unseren Augen. Neben der systematischen Entrechtung in der West Bank, neben dem Siedlungsbau, den Checkpoints, der Gewalt gegen Zivilisten, erleben wir in Gaza die radikalste Form von Entmenschlichung. Menschen werden reduziert auf Zahlen, auf Staub, auf Schweigen.
Und genau deshalb braucht es Filme wie No Other Land. Sie machen sichtbar, was ausgelöscht werden soll. Sie geben den Namen zurück, wo nur noch Trümmer sind. Sie sagen: Wir waren hier. Wir sind hier. Wir gehen nicht.
Diese Auszeichnung heute – für Courage – ist auch ein Ruf an uns alle. Sie erinnert uns daran, dass Mut nicht bedeutet, keine Angst zu haben. Sondern zu handeln, obwohl die Angst da ist. Jede Stimme, jedes Engagement, jede Haltung zählt. Gerade jetzt. Gerade in Deutschland.
Und ich schließe mit den Worten, die in diesen Tagen mehr Kraft haben als je zuvor:
„Wo Unrecht zu Recht wird, wird Widerstand zur Pflicht.“ – Bertolt Brecht
Danke.