Brief von Christopher Ben Kushka an den Oberbürgermeister der Landeshauptstadt München

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Reiter! 

Ich bin der Referent des Vortrages vom vergangenen Samstag im Gasteig zum Thema "BDS". Eingeladen hatte die Jüdisch-Palästinensische Dialoggruppe München.

 Zunächst einmal möchte ich Ihnen für das politische Standvermögen danken, dass Sie an den Tag gelegt haben. Sie und die Vertreter des Kulturamtes argumentierten ganz richtig, dass es innerhalb einer demokratischen Gesellschaft möglich, wenn nicht geradezu notwendig sei, auch kontroverse Themen öffentlich zu diskutieren und der Gasteig ein dafür geeigneter Ort sei. 

Vor Beginn des Vortrags stellten sich uns der Chef vom Dienst und Security-MitarbeiterInnen vor. Es wurde besprochen, dass die unangemeldete Gegendemonstration vor dem Eingang des Gasteigs toleriert werde, solange Besucher nicht belästigt würden. Außerdem wurde vereinbart, ein gewisses Maß an Emotionsausbrüchen oder auch geringere Störungen ggf. zu tolerieren, bei heftigeren Verstößen jedoch seitens der Hausherren zunächst eine Warnung auszusprechen und dann Querulanten des Raumes zu verweisen. Die Zusammenarbeit mit den entsprechenden Mitarbeitern des Gasteigs hat sehr gut geklappt. Wir waren uns im Rückblick auf die Veranstaltung alle einig, dass es gut war, die Veranstaltung "durchzuziehen", da ein Abbruch einen Präzedenzfall geschaffen hatte, der einer demokratischen Diskussionskultur nicht würdig ist.

Wie ich vernehme, stehen Sie weiterhin unter Druck, so wohl auch seitens Fr. Knobloch, die bereits im Vorfeld für medialen Tumult gesorgt hatte, indem sie den Vortrag inhaltlich in die Nähe von Nazibestrebungen gerückt hatte. Das ist wahrheitswidrig.

BDS steht für "Boykott, Kapitalabzug und Sanktionen" und ist ein Appell der palästinensischen Zivilgesellschaft (unterzeichnet von mehr als 130 Organisationen). Dieser Boykottdruck wird so lange aufrechterhalten, bis Israel vollumfänglich die Menschenrechte der Palästinenser anerkennt und die entsprechenden internationalen Gesetze und Konventionen umsetzt. Jede einzelne der Forderungen seitens der BDS-Kampagne ist gedeckt durch internationales Recht. 

BDS ist gewaltfrei und lehnt sich sowohl methodisch als auch inhaltlich an den Kampf gegen die Apartheid in Südafrika an. 

BDS ist eine internationale Kampagne. Es gibt beispielsweise nahezu kein europäisches Land, das nicht mittlerweile entsprechende Organisationsformen vorzuweisen hätte. Wir arbeiten eng mit diesen europäischen BDS-KollegInnen zusammen.

Zurück zum Vortrag und seinen Nachwirkungen. Wenn ich es recht verstehe, werden die wahrheitswidrigen Schmähungen gegen BDS und die einladende Münchner Dialoggruppe nicht nur aufrechterhalten, sondern sogar noch verstärkt. Die Vergabe weiterer Veranstaltungstermine am Gasteig scheint gefährdet. Das will ich nicht unwidersprochen lassen. 

Meines Erachtens sind es viel mehr die Gegner dieser Veranstaltung, die sich zu erklären haben:

  • Auf dem Boden welcher Werte stehen sie eigentlich, wenn sie eine gewaltfreie Menschenrechtskampagne derartig aggressiv anfeinden? 
  • Der Vortrag wurde dutzende Fach durch Zwischenrufe und persönliche Schmähungen unterbrochen und stand mehrfach kurz vor dem Abbruch. Sind diesen Menschen die basalsten Spielregeln demokratischer Diskussionskultur bekannt? (Im Anschluss an den Vortrag wurde ihnen sehr viel Raum gegeben, ihre Kritik zu äußern)
  • Welche Werte vertreten die AngreiferInnen, wenn während der Veranstaltung unsere Info-Materialien und eine Interessentenliste vor der Tür gestohlen werden?
  • Während des Vortrags wurde der leitende Security-Mensch von einem Menschen aus dem Publikum als "Faschist" bezeichnet. Ich selber wurde als "Göbbels" diffamiert. Das sind strafrechtlich relevante Äußerungen, die unter den Tatbestand der Verleumdung und des Rufmords fallen. Ist den Querulanten bewusst, dass sie froh sein können, dass es unsererseits nicht zu einer Stafverfolgung mit Hilfe der bereits anwesenden Polizei gekommen ist?

Ich kann es nicht akzeptieren, dass jetzt sogar im nachhein demokratische Entscheidungsträger und eine Organisation, die sich seit 25 Jahren für jüdisch-palästinensischen Dialog einsetzt, in den Schmutz gezogen und attackiert werden. Ohne Ansehen der Person müssen in unserer Gesellschaft dieselben Spielregeln gelten. Öffentlicher Diskurs muss kontrovers sein. Der Gasteig ist dafür ein prädestinierter Ort.

Ich stehe Ihnen jederzeit für Rückfragen zu diesen Vorgängen und/oder einer Abklärung der Inhalte zur Verfügung. Nichts in dem Vortrag ist in irgendeiner Art und Weise zurückzunehmen. Ich habe einerseits über Methoden, Entwicklung und Grundprinzipien zu BDS referiert, aber auch meine eigenen Erlebnisse vor Ort miteinfließen lassen. Jede Behauptung im Vortrag kann belegt werden. Gerne stelle ich Ihnen bei Bedarf relevantes Material zur Verfügung. Außerdem wurde die Veranstaltung sowohl vom BR als auch ARTE aufgezeichnet, so dass meine Darstellung ggf. gerne überprüft werden kann.

Bitte hinterfragen Sie Argumente und Vorgehensweise der Kritiker dieser Veranstaltung und ziehen Sie keine voreiligen Schlüsse. Bitte bleiben Sie einer demokratischen Gesprächskultur treu.

Ich verbleibe hochachtungsvoll,

Christopher Ben Kushka

 

Hier einige schriftliche Rückmeldungen von TeilnehmerInnen der Veranstaltung:

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Vielen Dank für den interessanten Vortrag gestern Abend im Gasteig.

Meine Frau und ich waren mit Fuad Hamdan selbst dieses Jahr im April in Palästina und konnten uns ein Bild von der Situation machen. Wir können alles, was Sie gestern dargestellt haben zu 100% bestätigen. Wir konnten uns leider nicht in die Emailliste eintragen, da diese anscheind entwendet wurde. Ich würde mich freuen, wenn Sie meine Frau und ich in Ihren Verteiler eintragen.

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Christophers Vortrag zu BDS im Gasteig – Meine Eindrücke vom gestrigen Abend

Nach dem Aufruhr in der Münchner Medienlandschaft war es nicht weiter überraschend, bereits am Eingang des Veranstaltungsortes auf ein Grüppchen in israelische Flaggen gehüllte Demonstranten zu treffen, die ausnahmsweise nicht gleich mit üblen Beschimpfungen gegen jeden lospöbeln konnten, der an ihnen vorbeiging, weil ja nicht ohne Weiteres ersichtlich war, welche Veranstaltung die ankommenden Personen jeweils besuchen wollten.

Doch spätestens bei Betreten des Vortragssaals der Bibliothek war klar, was bevorstand.

Die pro-israelische Fraktion, die gut ein Drittel des Publikums ausmachte, zeigte sich - wie inzwischen gewohnt – unverhältnismäßig aggressiv, extrem lautstark, vollkommen respektlos, hoch emotional, unbeleckt von jedweder objektiven Kenntnis der Sachlage, vollständig fakten- und logikresistent und auch absolut immun gegen Aufrufe zur Ordnung aus den eigenen Reihen.

Ein rationaler Dialog war aber natürlich auch gar nicht beabsichtigt, vielmehr ging es um die Behinderung, Störung und Sabotage des Vortrags. Natürlich ist es für den Vortragenden so gut wie unmöglich, einen zusammenhängenden Gedankengang auszuformulieren, wenn er permanent von unflätigen Zwischenrufen in Form ebenso ungeheuerlicher wie haltloser, zweifellos strafrechtlich relevanter Anschuldigungen unterbrochen wird bzw. die an einem produktiven Austausch gar nicht interessierten, pro-israelischen Anwesenden einen vollkommen sinnfreien Tumult inszenieren, der ein Eingreifen der Polizei erforderlich macht.

Auf die übliche Verwechslung von Ursache und Wirkung sowie von Opfern und Tätern und die komplett verzerrte Wahrnehmung der bestehenden Machtverhältnisse seitens der pro-israelischen Störenfriede braucht in diesem Zusammenhang kaum noch hingewiesen zu werden.

Christopher hat sich dennoch souverän geschlagen und konnte fast alle relevanten Punkte zur Sprache bringen. Ich wünschte, ich könnte so abgeklärt reagieren."

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Lieber Christopher Ben Kushka, - ich war bei Ihrem Vortrag im Gasteig und habe sie sehr bewundert - die Athmosphäre war undiskutabel und ich habe beschlossen, einen Brief an Fr.Knobloch zu schreiben, in dem ich ihr das Szenarium schildere. ich selbst war auch vor einer Woche in Bethlehem und jerusalem - arbeite dort als Musiktherapeutin und kann alle ihre Beschreibungen natürlich bestätigen. Was da vorgsetern stattfand erinnerte mich an das Buch von Norman Finkelstein - "Die Holocaustindustrie". Man darf sich alles erlauben auf dem Leid der Vorfahren.So ein Verhalten ist absolut undiskutabel.

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