Gemeinsame Erklärung der Palästinensischen Gemeinde Deutschland Hannover e.V. und der Jüdischen Gemeinde Hannover

Hannover kann überall sein!

Das Problem der proisraelischen und propalästinensischen Gemeinden und Gruppierungen ist, dass sie sich, wenn sie in den Dialog treten, das Gespräch auf die unterschiedlichen Positionen zum Nahostkonflikt reduzieren.

Der bisher fehlgeschlagene Dialog läuft nach einem typischen Muster ab: Man streitet über recht und Unrecht. dann erwartet man, dass der Gegenüber die eigene Position voll und ganz übernimmt. Dabei geht man davon aus, dass jede seite die Wahrheit, die einzig vollkommene Wahrheit für sich beansprucht. Am Ende vergisst man fast beiläufig, dass weder die eine noch die andere Gemeinde im fernen Deutschland die Entwicklung im nahen Osten tatsächlich verändern kann.

Wir haben in Deutschland nahezu ideale Vorraussetzungendurch Demokratie, Meinungsfreiheit und Frieden, ins Gespräch zu kommen und dies passiert im täglichen Leben, bewusst oder unbewusst.

Als deutsch-jüdischer Mitbürger kann man sich von einem palästinensisch stämmigen deutschen facharzt behandeln lassen oder als palästinensischer Klient bei einem deutsch-jüdischen Anwalt landen. Die gemeinsamen Nenner, die dadurch berührt werden, Patient zum Arzt und Klient zum Anwalt etc. stehen über den unterschiedlichen Ansichten zum nahöstlichen Konflikt.

Getreu nach diesem Motto, suchten wir in Hannover das Gespräch über Gemeinsamkeiten und nicht von Differenzen. Wir lernten durch zuhören die Meinung des Anderen zu repektieren und verstanden, dass keine der beiden Seiten das Recht hat, die einzige Wahrheit zu besitzen.

Wir haben aber auch schnell verstanden, dass wir nicht in der lage sind und nie sein werden, DIE Lösung des Nahostkonflikts zu präsentieren. Abgesehen davon, dass wir keinen internationalen Auftrag dafür haben, die perfekte Lösung für den Nahostkonflikt zu erarbeiten. und selbst wenn es uns gelänge, die perfekte Lösung zu entwickeln, würde dies, im entfernten Washington, Jerusalem, oder Tel Aviv, niemanden wirklich interessieren. Es wäre vermessen zu glauben, dass wir als jüdische oder palästinensische Gemeinde in Deutschland tatsächlich den lauf der Dinge verändern können.

Wir können aber uns selbst verändern, indem wir dem Anderen zuhören, auf gemeinsamen Werten aufbauenund die Differenzen, die unüberbrückbar sind und bleiben, bei Seite stellen. Diesem Beispiel kann man sehr wohl in München und auch anderswo folgen, wenn man den Mut und den Willen aufbringen würde, aufeinander zuzugehen.

Dr. Yazid Shammout,

Vorsitzender Palästinensische Gemeinde Hannover e.V. 

Michael Fürst,

Vorsitzender Landesverband der jüdischen Gemeinden in Niedersachsen

Roderick Balfour über die von seinem Großvater verfasste Balfour-Erklärung

1917 schrieb mein Ahne Arthur Balfour als Britischer Außenminister die Balfour-Deklaration -  eine großartige humanitäre Initiative, um Juden ein Zuhause in ihrer alten Heimstätte zu geben, vor dem Hintergrund der entsetzlichen russischen Pogrome. Es ist uns jedoch bewusst, dass ein zentraler Grundsatz der Deklaration über die Jahrzehnte zwischenzeitlich fast in Vergessenheit geriet: Respekt vor der Stellung der (arabischen) Palästinenser.

Die zunehmende Unfähigkeit Israels zur Thematisierung dieser Bedingung, verbunden mit der Expansion der jüdischen Siedlungen in arabisches Territorium, sind zentrale Faktoren beim weltweiten Anwachsen des Antisemitismus.

Wenn es eine Chance geben soll, diese Situation zu neutralisieren, dann dadurch, dass Israel die Resolutionen der Vereinten Nationen respektiert (derselben Vereinten Nationen, die vor 70 Jahren Israel Legitimität verliehen haben) und dafür sorgt, den Palästinensern ihren eigenen Staat zu gestatten. Selbstverständlich wird dies eine Diskontinuität und einen politischen Umbruch in Israel bedeuten, und so ist es enttäuschend, dass Präsident Trump diese Woche zu diesem Thema mehr wie Janus wirkte.

Trotzdem ist Premierminister Benjamin Netanyahu dies den Millionen Juden auf der ganzen Welt schuldig, die im Wesentlichen wegen der Ergebnisse der israelischen Innenpolitik zu leiden haben, als auch den in Unfreiheit lebenden Palästinensern.

Daher glauben wir nicht, dass das hundertjährige Jubiläum der Deklaration in diesem Jahr sinnvoll gefeiert werden kann, außer es wird Fortschritt erzielt, und zwar bald. Gleichzeitiges Bemühen, Jerusalem zu einer international gesicherten Hauptstadt aller drei abrahamitischer Religionen zu machen, könnte die ursprünglichen Absichten noch verwirklicht sehen.

RODERICK BALFOUR

London

Original: https://www.nytimes.com/2017/02/16/opinion/the-presidents-turn-on-the-mideast-road.html

Ja, das Gesetz boykottieren!

von Ilana Hammermann

Infolge des Beitrages von Dimitry Shovisky in Haharetz vom 19.3.2017 (Das Boykottgesetz boykottieren), füge ich meine Stimme zu seinem Aufruf hinzu und schlage vor, es als Aktion zum 50. Jahrestag der Besatzung auszurufen. Die Menschenrechtsorganisationen und die Friedensbewegung in Israel sollten zusammengehen, sie und alle Israelis, denen das physische und moralische Schicksal Israels wichtig und teuer ist. Israels Bürger sollten Mut haben und sich an die internationale Gemeinschaft mit folgendem Aufruf wenden:

……………………………..

Wir, hunderttausende Bürger Israels, wenden uns an die internationale Gemeinschaft und fordern, Israel mit politischen und wirtschaftlichen Sanktionen zu bestrafen, um es zu zwingen, seine Bürger von den Gebieten, die 1967 erobert wurden, zurückzuziehen. Wir gehen diesen Schritt mit Schmerzen, aber auch aus Liebe zu unserem Land und einer immer größer werdenden Angst, nicht nur um seine moralische Erscheinung, sondern auch um seine Zukunft und seine Existenz – aber auch unserer eigenen Existenz. 

Die internationale Gemeinschaft spricht von der Zwei-Staaten-Lösung, die in Frieden und Sicherheit Seite an Seite leben sollen: ein jüdischer Staat und ein palästinensischer Staat. Aber der israelische Staat vereitelt diese Lösung und macht sie unmöglich. Während 50 Jahre des Militärregimes in der Westbank, hat Israel sich in direkten und indirekten Wege über das Land ausgebreitet (inklusiv Ostjerusalem, das sich heute von Ramallah bis Bethlehem erstreckt) und hat dort ca. 600 000 israelische Bürger in hunderten von Siedlungen angesiedelt. Israel liefert diesen Siedlungen eine komplette Infrastruktur von Straßen, Wasser, Strom, baut dort Krankenhäuser und Schulen, und bietet den Bewohnern die volle israelische Staatsbürgerschaft und alle politischen und gesellschaftlichen Rechte, die der Staat auch seinen Bürgern innerhalb der Grenzen von vor 1967 gewährt. Demgegenüber verkleinert Israel den Lebensraum, die Arbeitsmöglichkeiten und die Bewegungsfreiheit der palästinensischen Bevölkerung. Es verschließt vor ihnen anhand von Militärerlassen die eigenen Gebiete, indem es große Flächen zu militärischen Sperrgebieten erklärt, zu denen die Palästinenser keinen Zugang haben. Dadurch besetzt Israel privaten Grund und Boden zugunsten seiner eigenen Bürger. Es sperrt die palästinensischen Ortschaften hinter Stacheldraht und Straßensperren ein, zerstört Wohnhäuser und verbietet den Bau von Wohnungen. Israel verhängt über die palästinensische Bevölkerung Kollektivstrafen und hält tausende von Männer, Frauen und Kinder (seit 1967 mehr als eine Million) in Gefängnissen und Konzentrationslager. All das entgegen dem internationalen Recht.

Die israelischen Siedlungen in der Westbank erlauben den palästinensischen Bewohnern keine Möglichkeit der Expansion für eine politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Existenz. Die Siedlungsblocks und auch die kleinen Siedlungen schaffen Grenzen zwischen dem Süden und dem Norden, dem Osten und dem Westen Palästinas. Sie spalten die Gebiete der sogenannten Autonomie-Verwaltung in unzählige Enklaven und machen damit eine Zwei-Staaten-Lösung unmöglich.

Seit 1967 findet diese israelische Tätigkeit in aller Öffentlichkeit statt. Heute ist sie absolut im Einklang mit der offiziellen politischen Ideologie der Parteien, die die Regierung in Israel bilden, die auch behaupten, dass ganz „Eretz-Israel“ dem jüdischen Volk allein gehört. Mehr noch, die religiös-fundamentalistische Basis, die sich mehr und mehr in den Siedlungen ausbreitet, verwandelt nach und nach den Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern in einem Konflikt zwischen Juden und Moslems. Diese gefährliche Entwicklung, die schon sehr weit fortgeschritten ist, kann am Ende zu einem Religionskrieg ausarten, der vollkommen außer Kontrolle gerät. Ein solcher Krieg kann die ganze Region auslöschen.

Diese gefährliche Lage ist nicht allein eine Sache der Israelis, sondern auch die Sache der internationalen Gemeinschaft, ganz besonders aber die Sache der Europäer. Und in der Tat haben die Institutionen der internationalen Gemeinschaft im Laufe der Jahre und Jahrzehnte viele Entscheidungen getroffen, um diese gefährliche Situation zu stoppen. Aber keine dieser Entscheidungen wurde von Israel akzeptiert und schon gar nicht eingehalten. Am 23. Dezember 2016 hat der Sicherheitsrat der UNO die letzte Resolution verabschiedet, die Resolution Nummer 2334, die unter anderem Folgendes besagt:

  • Die Errichtung von Siedlungen durch Israel seit 1967 hat keine politische Relevanz und sie bedeutet eine eindeutige Verletzung des internationalen Rechts und ein wesentliches Hindernis für eine gerechte und friedliche Lösung.
  • Israel muss sofort und endgültig damit aufhören Siedlungen, auf palästinensischen Gebiet zu bauen und zu erweitern.

Aber auch diese Resolution war ein „zahnloser Tiger“ wie alle davor, weil keine Schritte und Möglichkeiten für Zwangsmaßnahmen eingebaut wurden. Und so wurden die Beschlüsse dem Spott preisgegeben.

Aus diesen Gründen und weil wir uns Sorgen machen, wenden wir uns an die internationale Gemeinschaft, weil diese verantwortlich ist dafür, dass Israel die Beschlüsse akzeptiert und honoriert.

Wir wenden uns an die internationale Gemeinschaft, weil wir – alle Israelis, die in Israel leben – hier leben wollen, in Frieden an der Seite unserer palästinensischen Nachbarn. Leben und leben lassen. Unsere Regierung aber hat den Weg des Krieges gewählt. Nie waren die Dinge so klar wie heute. Denn wenn es in dieser Region nicht zum Frieden kommt, wird es hier bald kein Leben mehr geben – nicht für die Palästinenser und nicht für uns.

……………………………….

Im Übrigen: Ich stelle Sicherheitsminister Gilad Erdan meine persönlichen Daten zur Verfügung, falls er mich auf der Basis der neuen Gesetze verfolgen, verhaften und verurteilen kann: Ich bin 1944 geboren, bin israelische Staatsbürgerin und wohne in Jerusalem. Ich bin nicht aktiv bei BDS, auch wenn ich mit meiner israelischen Stimme – von innen und nicht von außen – dazu aufrufe, Israel zu boykottieren, um es zu zwingen seine Politik zu überdenken und zu ändern. Mein Kampf ist nicht gegen Israel, sondern gegen seine Politik gerichtet. Noch ist das demokratische Gesetz nicht erfunden und geboren, das einem Volk verbietet, für seine humanistischen und universalen Rechte zu kämpfen.

Im Namen des Lebens, gegen einen fundamentalistischen religiösen Staat, gegen Nationalismus und Rassismus, wenn unser Leben hier nicht moralisch und physisch scheitern soll.

Ursprünglich veröffentlicht auf "Der Semit": http://der-semit.de/ja-das-gesetz-boykottieren/

Freunde Israels, boykottiert diesen Staat! Gegen die israelische Politik der Apartheid aufzubegehren, ist nicht antisemitisch, sondern stellt die höchste Form der Loyalität dar.

Gastbeitrag von Daniel Boyarin, Frankfurter Rundschau, 20. März 2017

Seit ich hier in Deutschland bin, im ersten Jahr als „Fellow“ am Max-Weber-Kolleg und jetzt als Humboldt-Preisträger an der FU Berlin, ist mir folgendes bewusst geworden: Mehr noch als in den USA, werden die Unterstützer der „BDS“-Kampagne (Boycott, Divestment, Sanctions – Boykott, Desinvestitionen, Sanktionen) in Deutschland zu Antisemiten gestempelt, und ihr Vorgehen wird mit dem berüchtigten NS-Boykott jüdischer Geschäfte in den 1930er Jahren verglichen, um nicht zu sagen gleichgesetzt.

Ich bitte um Differenzierung.

Erlauben Sie mir, mich kurz vorzustellen. Ich bin Taubmann-Professor für Talmudische Kultur an der Universität von Kalifornien in Berkeley. Ich habe mein Leben dem Studium und der Lehre der jüdischen Klassiker verschrieben, sowohl in meiner Position an der Universität als auch mit Auftritten in Synagogen und anderen öffentlichen Orten. Nichts Jüdisches ist mir fremd, obwohl ich intellektuell und moralisch einer Reihe von Aspekten des historischen und zeitgenössischen Judentums kritisch gegenüberstehe, genau wie dem politischen und moralischen Verhalten des Staates Israel in der heutigen Zeit.

Vielleicht lässt diese kritische Haltung mich in den Augen mancher Deutscher als Antisemit dastehen – aber doch nicht, so hoffe und vertraue ich, in den Augen der meisten.

Das besagte Verhalten Israels hat in der jüngsten Zeit so ungeheuerliche Ausmaße angenommen, dass ich mich zu deutlich vernehmbarem Protest veranlasst sehe – Protest um der Gerechtigkeit willen, und zwar jener Gerechtigkeit, die zu verfolgen mich die Torah auffordert.

In der Tat hat mich die Zerschlagung der Rechte beider palästinensischer Bevölkerungsteile – der „arabischen“ Bürger Israels und der Bewohner der von Israel besetzten Palästinensergebiete – davon überzeugt: Ein machtvoller, aber nicht gewaltsamer Widerstand tut Not. Ausgerufen wird er von überall auf der Welt, von den Palästinensern selbst, von moralisch wachsamen Beobachtern außerhalb der beteiligten Bevölkerungsgruppen und nicht zuletzt – ja, keinesfalls zuletzt – von Juden innerhalb wie außerhalb Israels, denen zutiefst am Schicksal des jüdischen Volks und seinem moralischen Ansehen in der Welt liegt.

Wir können ebensowenig stillsitzen und das autoritäre, rassistische und militaristische Verhalten dieser Regierung zulassen, die uns zu repräsentieren beansprucht, wie Deutsche guten Willens untätig dabeisitzen können, wo die AfD nach der Macht greift, wo ihr unterdrückerisches, gewalttätiges Treiben gegen Flüchtlinge und andere sogenannte Nicht-Deutsche in Deutschland anhebt.

Dagegen aufzubegehren, ist keine Illoyalität gegenüber dem eigenen Volk, sondern vielmehr die höchste Form von Loyalität. Ich bin um keinen Deut mehr ein Antisemit, als ein deutscher AfD-Gegendemonstrant ein Volksverräter ist.

An diesem Punkt angelangt und aus dieser Warte betrachtet, erscheint wirtschaftlicher Druck als effektivste Form der Einflussnahme auf den unterdrückerischen, gewalttätigen Staat Israel. Ein solches Vorgehen ist moralisch und politisch analog zu den Boykotten gegen das Apartheid-Regime in Südafrika, die zu dessen Ende beigetragen haben.

Am Bündnis der Unterstützer eines solchen Boykotts gegen das Apartheid-Regime in Israel beteiligen sich viele, die weder Palästinenser noch Juden sind. In ihrer weit überwiegenden Mehrheit handelt es sich um Menschen guten Willens, die an vielen Fronten für Gerechtigkeit kämpfen – die Gerechtigkeit für das palästinensische Volk eingeschlossen.

Dieser Kampf um keinen Deut mehr ein antisemitischer Kampf, als der Boykott gegen Südafrika ein anti-holländischer war oder als Boykotte gegen das kommunistische China oder Putins Russland für einen anti-asiatischen oder antislawischen Rassismus stehen.

Bitte, ihr Deutschen, denkt darüber nach! Wie erweist ihr euch als wahre Freunde des jüdischen Volkes? Etwa, indem ihr unsere AfD unterstützt? Oder indem ihr die gelten lasst und unterstützt, die für eine demokratische und gerechte Zukunft kämpfen? Eine Zukunft für die Juden und für die Palästinenser in Palästina.

Aus dem Englischen von Joachim Frank.

Jerusalem – Unheilige Stadt Fotoausstellung von Wolfgang Strassl

18. März 2017 – 07. April 2017

08:00 Uhr – 23:00 Uhr | Glashalle, 1. OG

Eintritt frei

Ausstellungen – Ausstellung

TERMIN SPEICHERN

Jerusalem steht seit Jahrzehnten im Brennpunkt des Nahostkonflikts. Vor allem in Ost-Jerusalem und dem umliegenden Westjordanland hat der Konflikt das Stadtbild in bedrückender Weise geprägt.

Palästinensische Einwohner und israelische Siedler leben dort zusammen in einem städtischen Ballungsraum, jedoch in feindlicher Nachbarschaft, voneinander abgeschottet durch hohe Mauern und Zäune und ohne jede Aussicht auf Versöhnung.

Mit seinen dokumentarischen Fotografien zeigt der Münchner Fotograf Wolfgang Strassl, der viele Jahre mit Zweitwohnsitz in Israel gelebt hat, die tiefen Spuren und Narben, die Hass und Misstrauen in dieser urbanen Landschaft hinterlassen haben.

Ein Bildband mit seinen Fotografien ist unter dem Titel »Homeland – East Jerusalem Landcapes« im Kerber Verlag erschienen – http://wolfgangstrassl.com

Vernissage:
18.3., 17:00 Uhr

(Wolfgang Strassl, München)

 

 

 

 

 

"Gaza Surf Club" - Filmstart in München

Eine junge Generation, die in Gaza zwischen Israel und Ägypten gefangen ist und von der Hamas regiert wird, zieht es zu den Stränden. Sie hat genug von Besetzung, Krieg und religiösem Fanatismus und ihre ganz eigene Art des Protests gefunden: Surfen.

Der Gazastreifen ist ein schmaler Küstenstreifen zwischen Israel und Ägypten mit einem Hafen, in dem keine Schiffe mehr anlegen und einem Flughafen, der nicht mehr angeflogen wird. Kaum jemand kommt heraus, fast nichts und niemand kommt hinein. Mit ihren Surfbrettern schaffen sich die Surfer ein kleines Stück Freiheit, zwischen dem Strand und der von den Israelis kontrollierten Sechs-Meilen-Grenze. Freiheit, die ihnen keiner nehmen kann. Der Film zeigt die Träume und Hoffnungen der Jugendlichen dieser Grenzregion, in der die ältere Generation jegliche Hoffnung aufgegeben hat.

Der Film startet am 30.3. Genauere Informationen folgen in Kürze.

Link zum Trailer: https://www.facebook.com/GazaSurfClubFilm/videos/1676322732692025/

Antisemitismus-Vorwürfe in Hamburg. Schreiben an Bischöfin Fehrs

Sehr geehrte Frau Bischöfin Fehrs,

als Jüdin, in Jerusalem geboren, wehre ich mich gegen die Behauptung, dass BDS antisemitisch sei. Ich kann gut nachvollziehen, dass man Angst um den wachsenden Antisemitismus in Deutschland hat - auch mir bereit dieser große Sorgen. Aber gerade das Einknicken mehrerer Institutionen schürt eher den Antisemitismus. Denn die Stimmung gegenüber Israel und den Juden hierzulande wird immer aggressiver. Viele Menschen können die doppelten Standards, wenn es um die Politik des Staates Israel geht, nicht nachvollziehen. Auch aus diesem Grund versuchen mein Mann und ich schon seit Jahren das Auswärtige Amt und das  Bundeskanzleramt davon zu überzeugen, wie wichtig es ist, die Besatzung zu beenden.

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Schreck, lass nach!

von Reiner Bernstein[1]

Seit dem Einzug des Twitter-Präsidenten Donald Trump ins Weiße Haus beginnt sich die Europäische Union auf ihr Gewicht als eine weltpolitische Zentralmacht zu besinnen. Noch hält sie an der Zwei-Staaten-Lösung für Palästina fest, nachdem Trump es soeben der israelischen Politik überlassen hat, über das Schicksal der Palästinenser zu bestimmen.

Symptomatisch dazu geht die Einladung der Konrad-Adenauer-Stiftung in Jerusalem zum Symposium „100 Jahre seit der Balfour-Deklaration“ für den 28. Februar bei uns ein. Zur Mitwirkung an der Planung ist der frühere UN-Botschafter und zuletzt Generaldirektor des Auswärtigen Amtes Dore Gold eingeladen, heute Chef des „Jerusalem Center for Public Affairs“ – einer staatlich geförderten Beratungseinrichtung am äußersten rechten Rand. Gold und Moshe Arens, Verteidigungs- und Außenminister in der Regierung Yitzhak Shamirs, trommeln seit langem gegen die Zwei-Staaten-Lösung.

Die Erklärung des britischen Außenministers Arthur James Balfour am 02. November 1917 erteilte dem gesamten jüdischen Volk die Zustimmung zur Errichtung einer nationalen Heimstätte in Palästina. Ihr Adressat war weder der in Berlin lebende Präsident der weltweit kleinen zionistischen Organisation, der Botaniker Otto Warburg, noch ihr Verhandlungsführer in London, der Chemiker Chaim Weizmann. Den Juden in aller Welt sollte durch die Bekundung kein staatsbürgerlicher Eintrag geschehen, und den „bestehenden nichtjüdischen Gemeinschaften“ (642.000 gegenüber 58.000 Juden), war zugesagt, das „nichts geschehen soll, was ihre bürgerliche und religiösen Rechte beeinträchtigt“.

Führende zionistische Repräsentanten ließen es an Warnungen nicht fehlen: Die „Niederlassung“ begebe sich in die Abhängigkeit einer Kolonialmacht zu einer Zeit, als deren Einfluss zu bröckeln beginne: Ägypten wagte erste Schritte in die Unabhängigkeit, Frankreich sicherte sich in Syrien/Libanon seine Vorherrschaft, indem sie den haschemitischen Prinzen Faisal nach Bagdad abschob, und 1923 entstand das Haschemitische Emirat Transjordanien.

So äußerte sich der als Vater des Siedlungswerks hochgelobte Arthur Ruppin, der Anfang 1908 das Büro der „Palestine Land Development Company“ (PLDC) in der nach einem syrischen Christen benannten Bustrus-Straße in Jaffa eröffnet hatte, reserviert: Die „Balfour-Deklaration wird für uns ein Fluch sein, wenn wir glauben, dass durch sie für uns Rechte in Palästina ‚begründet‘ sind“. Ein Vaterland bekomme man nicht durch diplomatische Beschlüsse zugewiesen. Dagegen versicherte US-Präsident Woodrow Wilson dem Gründer des Jüdischen Weltkongresses und dessen ersten Präsidenten Stephen Wise: „Don’t worry, Dr. Wise, Palestine is yours.“

David Ben-Gurion wurde noch deutlicher. In seinen Memoiren führte er aus, dass die Deklaration nicht der Zustimmung der arabischen Bevölkerung bedurft habe oder dass diese sich mit ihr hätte abfinden müssen: „Großbritannien nahm eine Verpflichtung auf sich, die die ganze Welt anerkannte – das uralte Recht des jüdischen Volkes auf Palästina. Die Rechte der Nichtjuden im Lande kommen erst danach.“ Weizmann wollte in der Deklaration immerhin eine „Doppelsinnigkeit“ erkennen: Was Balfour darunter verstanden habe, sei so etwas wie ein britisches, US-amerikanisches oder sonstiges Protektorat über Palästina gewesen.

1937 verwahrte sich der strikt agnostische Vladimir Zeev Jabotinsky, seit Ende April 1925 Präsident der „Weltunion der zionistischen Revisionisten“, vor der Peel-Kommission gegen den Teilungsplan mit dem Argument, dass nicht „das britische Mandat uns das Recht auf dieses Land gab, sondern die Bibel“. Für Walid Khalidi, einen der führenden palästinensischen Historiker, war das Balfour-Dokument das destruktivste Dokument des 20. Jahrhunderts für den gesamten Nahen Osten. Es blieb dem von Golda Meir geschassten Generalsekretär der Arbeitspartei Arie Lova Eliav vorbehalten, eine entsprechende Erklärung für die Palästinenser zu fordern.

Von einer Historisierung der Umstände und der Folgerungen vom 02. November 1917 ist im Programm der Adenauer-Stiftung nichts zu spüren. Wohlweislich haben die Veranstalter auf palästinensische Referenten verzichtet. So schließt sich der Kreis der israelischen Geschichtspolitik seit dem Ersten Weltkrieg.       

[1]   Abgeschlossen am 17. Februar 2017.

 

Rede von Dr.Ruhama Marton, Gründerin und Präsidentin von Physicians for Human Rights Israel (PHRI) auf dem Kongress „Nicht in einer Demokratie: 50 Jahre Besatzung“

‚Alles was legal war, war unmoralisch, alles was moralisch war, war illegal.‘, schrieb Hannah Ahrendt zu einer anderen Zeit.

Ich finde, diese Worte beschreiben in dieser Zeit sehr gut die israelischen Institutionen und die Besatzung. Das heißt, in dieser Situation müssen wir uns entscheiden zwischen Gesetz und Moral. Ärzte für Menschenrechte hat die Moral gewählt. Die Organisation hat den Begriff Menschenrechte in den öffentlichen Diskurs in Israel eingebracht, als sie vor dreißig Jahren gegründet wurde. Die Moral zu wählen in Israel bedeutet, damals im Jahr 1988 wie heute,  eine Vereinigung des Widerstands zu sein. Eine Organisation, die nicht Teil des Mainstreams sein will, oder wie ich es lieber nenne, der radikalen Mitte. Es ist keine leichte Wahl und sie kostet einen hohen Preis. Die radikale Mitte betrachtetMenschenrechtsorganisationen als Verräter, als solche, die das Stammesgesetz, soziale Konventionen brechen.

Der Kampf von PHRI gegen Folter in den 90er Jahren, schloss das gesamte System mit ein: Jurisdiktion,  die diversen Sicherheitsbehörden und auch die israelische Ärztegewerkschaft. Deren damaliger Vorsitzender sagte über mich: Diese Frau an der Spitze von Ärzte für Menschenrechte Israel ist anti-israelisch, anti-zionistisch und antisemitisch. Diese Aussage weckte unter Tausenden von Mitgliedern der Gewerkschaft keinen Widerspruch. Denn es gibt hier in Israel tatsächlich eine klare Grenze zwischen Stammesgesetz und Moral.

Die Ärztinnen und Ärzte von PHRI fahren jeden Samstag in die Dörfer in der besetzten Westbank, in die Flüchtlingslager und Städte, und bieten dort mit unserer mobilen Klinik medizinische Versorgung an. Wir bitten die Armee nicht um Erlaubnis. Wir wollen diese Genehmigung nicht, die mit Begleitung Bewaffneter in Uniform einhergeht.

Die Arbeit unserer Ärzte ist vor allem eine deutliche Aussage gegen das Mantra der Regierung, es gäbe keinen Partner. Wir haben Partner. Unsere Fahrt in die Besetzten Gebiete an sich ist eine Erklärung der Solidarität mit den Besetzten und gegen die Besatzung. Erst nach dieser Aussage beginnt unsere medizinische Arbeit in den Besetzten Gebieten.

Im Kampf der PHRI zum Schutz der palästinensischen Gefangenen im Hungerstreik stellen wir uns an die Seite politischer Häftlinge, die Sicherheits-Häftlinge genannt werden. Unser Moralverständnis verpflichtet uns, gegen das Übel zu anzukämpfen, das ein Mensch dem anderen antut, nicht weniger als im Kampf gegen Krankheitskeime und Viren. Administrative Haft ist das Übel, gegen das wir an der Seite der Häftlinge und für sie kämpfen. Administrative Haft ist der Grund ihrer Hungerstreiks.

Fünfzig Jahre lang haben wir israelischen Juden unser Leben als lebenswert und verteidigungswürdig definiert; dem gegenüber gibt es Leben, die schutzlos allein gelassen werden.

Über die Besatzung wird viel gesprochen.

Sie wird sehr unterschiedlich definiert. Aber als Ärztin weiß ich, wie der Arzt in „Die Pest“ von Camus, dass es nicht wichtig ist, wie die Krankheit heißt. Menschen sterben an ihr, und meine Aufgabe ist es, sie zu retten. Ich weiß auch, dass Rassismus gerade dort gedeiht, wo man ihn verleugnet; deshalb ist es wichtig, genau zu sein und die Dinge beim Namen zu nennen.

Ich stehe hier, um zu sagen, dass Besatzung und Apartheid fallen müssen, denn egal, wie sehr sie vertuscht werden mit Definitionen und üblen Verträgen, - der Mensch strebt zur Freiheit. Und wir sind hier, um das fortwährende Streben nach Anerkennung kenntlich zu machen,  denn es gibt kein Leben, das aufzugeben und schutzlos im Stichzu lassen wir das Recht hätten. Deshalb wollen wir mit den Gesetzen von Besatzung und Apartheid nicht kollaborieren. Wir arbeiten aus moralischen Gründen, auch wenn sie mit dem Gesetz nicht überein stimmen.

(ins Deutsche übertragen von Weichenhan-Mer G.)

Seid Stark von Ilana Hammermann, Haaretz, 12.02.2017 (übersetzt von Gudrun Weichenhan-Mer)

Seid stark, ihr Soldaten, die ihr das Schweigen brecht. Seid stark, ihr, die ihr die Organisation „Das Schweigen brechen“ gegründet habt und dafür arbeitet, die ihr diesen Soldaten ein Forum gebt. Und seid besonders stark, Leiter der Jerusalemer „Galerie Barbur“, die ihr sie eingeladen habt, und uns, um ihnen zuzuhören. 

Kurz vor der Veranstaltung wandte sich Kultusministerin Miri Regev an den Bürgermeister von Jerusalem mit der Forderung, die Veranstaltung zu verhindern, da die Organisation „sich um die Schädigung des Bildes Israels in der Öffentlichkeit“ bemühe und „es in düsteren Farben als unmoralischen Staat“ darstelle, „der durch Kämpfer der israelischen Verteidigungsarmee Palästinenser schädigt“. Der Sprecher der Ministerin stellte fest: „Der Vortrag wird dort auf keinen Fall stattfinden“, und die Stadtverwaltung Jerusalem gab bekannt: Die Galerie Barbur wird geräumt.

Die Veranstaltung fand trotzdem statt. Und wie! Die Räumlichkeiten in der Galerie reichten nicht aus, um die Besucher zu beherbergen. In den Gassen daneben hatten nicht all die jungen Demonstranten Platz, die dicht gedrängt und entschlossen den Demonstranten gegenüber standen, die die Veranstaltung verhindern wollten. Die Rufe und Parolen von beiden Seiten waren im Saal gut zu hören. Die Furcht vor gewalttätigen Auseinandersetzungen, die uns dorthin begleitete - wir waren fast alle etwas ältere Mitbürger, die gekommen waren, um den Jungen zuzuhören -, erschwerte das Zuhören ein wenig. Aber der sehr persönliche, klare und aufrichtige Vortrag des jungen Nadav war dann doch stärker als die Unruhe draußen und die Spannung drinnen. Er erzählte von seinem Weg, vom Dienst in der Armee - Polizeiarbeit in den besetzten Gebieten - bis zur schwierigen Entscheidung, „das Schweigen zu brechen“. Er erzählte, was er und seine Freunde dort tun und getan haben: Angefangen von physischen Verletzungen und Schädigung von Besitz von Palästinensern bis zum Befolgen von Befehlen der Siedler. Ja, er hat den Staat Israel in düsteren Farben gezeichnet wie auch die anderen Zeugenaussagen derer, die das Schweigen brechen. 

Ja, ihre Stimme wird gehört und beschädigt das Image Israels; da hat Frau Regev Recht. Sie geht aber tiefer als die Wahrheit der Ministerin, sie ist auch wichtiger. Es geht hier nicht um einen Ruf, sondern um eine zerstörerische, gefährliche Identität, die auf dem Weg ist, unwiderruflich irreparabel zu werden - davon erzählen diese Zeugenaussagen. 

Wer behauptet, dass sie lügen, sagt die Unwahrheit. Jeder Bürger Israels, der in die besetzten Gebiete kommt, weiß, dass nicht weiter nachgeforscht werden muss, ob „Breaking the Silence“ seine Berichte genau nachprüft. Jeder kann sich die Überreste der zerstörten Häuser und Zelte ansehen, die bedrohlichen Checkpoints, die in der gesamten Westbank errichtet wurden, die engen, gefährlichen Straßen, die den Palästinensern zugeteilt wurden, und vor allem: die Inbesitznahme weiter Gebieten durch die Siedler. 

Diese ganze verquere und kriminelle Realität findet unter dem Schutz der Armee und ihrer Soldaten statt. Wie lächerlich, dass so viele Zivilisten in der israelischen Gesellschaft, von Ilana Dayan und Yair Lapid bis Miri Regev und Benjamin Netanyahu sich anstrengen, um „Breaking the Silence“ der Lüge zu überführen. 

Es wird ja nichts davon heimlich durchgeführt. 

Geht hin in die besetzten Gebiete, wo die Armee unter dem Oberbefehl der Siedler herrscht, und seht euch an und hört, was den Soldaten dort befohlen wird, und wie die 18-, 19jährigen jungen Männer aussehen, bewaffnet bis an die Zähne, die diese Befehle ausführen!  

Bis dahin, ihr schweigenden Mehrheiten, respektiert die Soldaten, die das Schweigen brechen, hört ihnen zu und verteidigt ihr Recht, in Israel und im Ausland zu sprechen. Ihr Recht wiegt schwerer als unseres, denn sie bezahlen unmittelbar für ihr Tun, körperlich und seelisch, für eine Ideologie— und nicht zur Verteidigung der Sicherheit Israels und seiner Bürger. Das ist heute klarer zu sehen als je zuvor. 

Bei all den Schwierigkeiten und dem Schmerz, es wäre besser man würde uns boykottieren.

Ilana Hammermann (übersetzt von Abi Melzer)

„Der Aufruf zu einem politisch begründeten Boykott, ist ein legitimes Mittel, das in den Rahmen der freien Meinungsäußerung fällt“, so stellte es letztens ein Leitartikel der Redaktion von Haaretz dar. (Es gibt keinen Einlaß für Besucher. 17.1.2017)  Die Worte sind geschrieben worden anlässlich des Beschlusses einer Gesetzesvorlage durch die Innenkommission der Knesset, die verbieten soll, Einreisegenehmigungen an fremde Staatsbürger zu erteilen, die zum Boykott Israels oder zum Boykott der Siedlungen aufrufen. Ich stütze mich also auf eine Feststellung von Haaretz – die einzige Zeitung in Israel, die nicht nur weiter die Freiheit der politischen Meinung verteidigt, sondern auch täglich mit immer größer werdenden Entschlossenheit daran festhält– und wende mich an die Bürger Israels, die sich zum Friedenlager zählen, sich an die Weltöffentlichkeit mit dem Aufruf zu wenden, Israel, ihr Land, zu boykottieren.

Ich bin keine Fremde und ich wende mich auch nicht an fremde Bürger. Ich weiß nicht, ob ich damit irgendein Gesetz von den undemokratischen und nicht legitimen Gesetzen verletze, die in diesen Tagen in Israel erlassen werden, um mir und meinen Freundinnen und Freunden – alle Israelis – die Meinungsfreiheit und unsere menschliche und politische Freiheit zu nehmen. Aber eines weiß ich: Ich bin mit meinem Körper und meiner Seele an dieses Land gebunden, in dem ich vor 72 Jahren geboren wurde und dem ich - mit meiner beruflichen Tätigkeit und meinem gesellschaftlichen Engagement - meine besten Jahre geopfert habe. Ich kann diese Verbindung nicht mehr freiwillig aufheben. Ich habe, im wahrsten Sinne des Wortes, kein anderes Land.

Von diesem Ort aus, als israelische Bürgerin und als Frau, die verbunden ist mit dem öffentlichen Leben in Israel, stelle ich fest, dass das Land, dessen Staatsbürgerin ich bin,  mein Grundrecht auf Basis meines Gewissens zu leben, nicht schützt und ehrt . Das Judentum, das es mir aufzwingen will, mit seinen Gesetzen, ist nicht mein Judentum, und der nationale und rassistische Fanatismus seiner Regierung steht meinen mir sehr teuren Werten entgegen. Diese Fehler sind die innere Sache der israelischen Gesellschaft, und ich habe das Recht und vorerst auch die Möglichkeit, von innen um ihre Korrektur zu kämpfen.

Die Tatsache, dass Israel regelmäßig das internationale Recht verletzt, berechtigt die Einmischung der internationalen Gemeinschaft. Dieses Recht wurde nicht beschlossen, damit jedes Land macht was es will und was seine Bevölkerung für gut erachtet. Es ist beschlossen worden aufgrund der Lehren aus dem Zweiten Weltkrieg, in dessen Verlauf Millionen Menschen getötet, verhaftet, vertrieben und ermordet wurden. Es ist also dafür gedacht worden, die zivile Bevölkerung, die in eroberten Gebieten lebt, zu schützen.

Israel hält die palästinensische Westbank besetzt und herrscht über das Schicksal von Millionen arabischer Bewohner. Es tut dies rein aus dem Recht der Eroberung, der Besatzung und der militärischen Überlegenheit und dadurch verletzt es alle Grundsätze dieser humanitären Vereinbarungen: Es siedelt seine Bürger in diesen Gebieten an; es zerstört Eigentum von Einzelnen und von Gemeinden; es beschlagnahmt private und öffentliche Ländereien für eigene Zwecke und für die Zwecke der Siedler; es wendet gegen die Bevölkerung regelmäßig und systematisch kollektive Strafen an; es beschränkt die Bewegungsfreiheit der Bewohner; es hält tausende und abertausende Häftlinge in Gefängnissen. Fast eine Million Palästinenser wurden durch die israelischen Sicherheitskräfte seit 1967 verhaftet. Aufgrund von Urteilen von Militärgerichtenoder sogar ohne irgend ein Urteil.

All diese systematischen Verletzungen der Menschenrechte passierten nicht in Kriegszeiten, nicht kurzfristig für ein oder zwei Jahre, sondern über einen Zeitraum von von 50 Jahren. Es ist nicht notwendig, ein Jurist oder ein Militärexperte zu sein, um festzustellen, dass diese systematische Politik keine gesetzliche Grundlage hat – es reichen offene Augen und ein gesunder Menschenverstand um zu verstehen, dass ideologische Gründe, ob versteckt wie in der Vergangenheit oder offen wie heute, diese Politik leiten.

Und deshalb, als israelische Bürgerin und als Frau, die am politischen und gesellschaftlichen Leben beteiligt ist, nehme ich mir seit vielen Jahren das Recht, meine Augen offen zu halten undZeugnis abzulegen, über diese ungesetzlichen Verletzungen der Menschenrechte, des Lebens, des Besitzes, der Würde und der Freiheit von Menschen, die mein Land, seine Soldaten, Verwaltungen, Beamte nur wenige Kilometer von meinem Zuhause verursachen. Und in den letzten Jahren – angesichts der Gleichgültigkeit der meisten Bürger Israels – nehme auch ich mir das Recht und die Pflicht aufzuschreien und die Bürger aufzufordern die Gesetze und Verordnungen zu missachten. Und ich missachte sie auch selbst: ich befreunde mich mit Palästinensern in den besetzten Gebieten, trotz der vielen roten Schilder, die es mir verbieten, schmuggele von Fall zu Fall einen Arbeiter zu seinem Arbeitsplatz, eine Frau und ihre Kinder zum Strand in Tel Aviv, einen Vater, Brüder und Schwester zu einem Familienangehörigen, der in einem Krankenhaus in Israel liegt, und noch viele Kleinigkeiten, die nicht erwähnenswert sind.

Aber während ich diese Taten aus vollem Herzen und freien Willen, aus politischen und humanitären Gründen und aus dem Willen verfolgten Menschen zu helfen tue, so entschloss ich mich zu diesem Aufruf aus Not, aus innerem Schmerz und großer emotionaler Schwierigkeit, und ich tue es aus reinem politischen Pragmatismus.

Denn Israel ist sicherlich nicht das einzige Land auf der Welt, das es verdient hat boykottiert zu werden. Im 20. Und auch im 21. Jahrhundert gab es und gibt es vielfach größere Verbrecher. Die größten Entsetzen und Verbrechen in der Neuzeit haben einige europäische Staaten verursacht, mit ihrer Unterdrückung und Ausbeutung ihrer Kolonien in Afrika und Asien. Die UdSSR hat auch Millionen von Menschen vernichtet, die durch Hunger und Folter getötet wurden. Die USA haben zwei Atombomben in Japan abgeworfen und Millionen Menschen getroffen und in Vietnam chemische Waffen eingesetzt. Und heute, wenn man nur Sanktionen gegen China beschließen könnte, wegen der grausamen Unterdrückung der eigenen Bevölkerung und gegen Russland, wegen der barbarischen Einmischung in Syrien, aber das geht leider nicht. Das sind Großmächte von denen die Welt abhängig ist und nicht umgekehrt.

Israel, demgegenüber, ist ein Staat, dessen Wirtschaft von der Welt abhängig ist, und ein Wirtschaftsboykott, oder zumindest Sanktionen, wie man sie über den Iran verhängt hat, würden seine Politik sicher beeinflussen, und sogar die öffentliche Meinung. Die Lebensgewohnheiten der Bevölkerung werden hart getroffen und die Menschen werden endlich über die Realität nachdenken müssen, in der sie leben – wenn nicht auch über das Unrecht oder das Dynamitfass, in dessen Nähe sie weilen. Und so, nur so, könnte der Weg zu einer neuen Wirklichkeit gebahnt werden, zu einer friedlichen Lösung. Denn es ist einerlei wo genau das Recht in diesem Konflikt sich befindet. Eines ist klar, nämlich dass die ungeheure Macht in den Händen der Israelis ist und nicht in den Händen der Palästinenser. Dass Israel mit seiner Militärmacht – und nicht die Palästinenser mit ihren Messern und Lastwagen – die Realität in der Region bestimmt.

Aber es ist notwendig, dass der Ruf nach einem solchen Boykott aus Israel selbst kommt – aus dem Mund der vielen braven Bürger, die sich um ihr Schicksal und das ihres Staates kümmern. Ja, über ihr Schicksal und nicht das Schicksal der Palästinenser – über ihr physisches und moralisches Schicksal, das heute in den Händen von Politikern liegt, die Israel zu Absturz und Untergang führen. Ja, sie sind zahlreich und brav, diese Bürger, obwohl sie im Moment noch eine Minderheit sind. Diese Regierung meint die Minderheit ignorieren zu können. Aber nirgends ist die Entscheidung der Mehrheit eine Garantie für eine wahre Demokratie – und sicherlich nicht dort, wo sie über das Schicksal von Millionen entscheidet, die selber nicht entscheiden dürfen.

Und in der Tat, diese vielen Bürger, die noch eine Minderheit sind, sehen schon sehr klar, dass eine solche Katastrophe über unseren Köpfen hängt. Darüber legen zum Beispiel die immer schärfer werdenden Artikel in Haaretz Zeugnis ab. Sie bitten und flehen die Bürger an: Habt Mut, geht auf die Straße – als ob die Straßen uns noch gehören würden.

Aber es sind leere Worte: Wir sind offensichtlich nicht geboren Mut zu haben, angesichts eines aggressiven Pöbels. Deshalb lasset uns im Stillen Mut haben und im Stillen mit einem klugen Apell an die internationale Gemeinschaft wenden, Israel wirtschaftlich zu boykottieren. Ja, Israel, nicht nur die Siedlungen, denn schon seit langem gibt es keine zwei Wirtschaftssysteme im Land mehr: Es gibt ein Wirtschaftssystem auf beiden Seiten der Grünen Linie. Lasst uns das machen, aus einem gemeinsamen Willen - wir, die wenigen Millionen – umgeben von Dutzenden von Millionen, die wie unsere politischen Führer beschlossen haben, dass wir ewig das Schwert tragen sollen.

Wenn diese Stimme zur Rettung unseres Staates von uns kommen wird, klar und deutlich und gut begründet, wird es welche geben, die uns zuhören werden, obwohl wir die Minderheit sind. Kein Mensch wird uns beschuldigen können, wir seien Antisemiten oder Israel-Hasser; schließlich sind wir Juden und Israelis und als Juden und Israelis wollen wir hier bleiben – um hier zu leben und nicht um hier zu sterben.

 

 

Begrüssung von Judith Bernstein: "Die Geschichte des anderen hören"

Im Namen der Jüdisch-Palästinensischen Dialoggruppe München begrüße ich Sie zur heutigen Veranstaltung. 

Zunächst möchte ich mich bei unseren Partnern bedanken - bei Frau Höcht-Stöhr für die Evangelische Stadtakademie München und bei Frau Tiedemann für die Petra-Kelly-Stiftung. Mein Dank gilt auch Frau Di Gennaro vom Gasteig sowie Frau Kirschner, Herrn Leuprecht und Herrn Bibl vom Kulturreferat für ihre Unterstützung.

Durch den Abend führt Sie Jutta Prediger vom Bayerischen Rundfunk.

Einige von Ihnen haben vielleicht die Ereignisse und Irritationen der letzten Zeit in München mitbekommen. Es ging vom allem um Antisemitismus-Vorwürfe.

Deshalb freuen wir uns, die Vorsitzenden der Jüdischen und der Palästinensischen Gemeinden in Hannover, die Herren Michael Fürst und Dr. Yazid Shammout, bei uns begrüßen zu können. Wir möchten der für unsere Stadt wichtigen Frage nachgehen:

Was können wir aus den Erfahrungen im jüdisch-palästinensischen Dialog in Hannover für München lernen? Denn eins ist klar:  Wenn es in München nicht gelingt, uns gegenseitig anzuhören und zu respektieren - wie kann es zu einer Versöhnung zwischen Israelis und Palästinensern im Nahen Osten kommen? 

In einer Zeit, in der rechte Parteien in den USA und Europa im Aufwind sind, ist es umso wichtiger, dass Minderheiten wie Juden und Moslems zusammenfinden und mit der Mehrheitsgesellschaft entschieden dem gewachsenen Nationalismus entgegentreten. 

Für diejenigen, die die Jüdisch-Palästinensische Dialoggruppe München nicht kennen, möchte ich noch zwei Sätze hinzufügen:

Unsere Gruppe wurde 1985 von einem jüdisch-belgischen Ehepaar - Überlebende des Holocaust - und einem palästinensischen Flüchtling aus Qalandia gegründet. Die Gruppe ist ein Beweis dafür, dass Frieden zwischen Israelis und Palästinensern, zwischen Juden und Arabern möglich ist. Wir haben uns zum Ziel gesetzt, den Dialog über Hindernisse und Chancen zur Lösung des Konflikts zwischen Israelis und Palästinensern zu fördern. Wir treten für gleiche Rechte für alle Bewohner Israels und Palästinas ein. 

Mit der heutigen Veranstaltung hoffen wir, einen Beitrag zu leisten, damit München eine pluralistische und offene Stadt bleibt.

 

Wahlen in den USA: Was können die deutschen Juden aus den Erfahrungen in den USA lernen?

von Judith Bernstein

Wie bei früheren Wahlen hat auch diesmal die Mehrheit der amerikanischen Juden die Demokratische Partei gewählt, nämlich zu 71 Prozent. Allerdings gab es auch jüdische Voten für die Republikaner, die meinten, dass ein Donald Trump derjenige Präsident sein werde, der die israelische Politik unterstützen werde. Mit ihrer Wahl haben sie sich Stephen Bannon, einen Antisemiten, eingehandelt.

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Censorship in Munich

"I have no understanding when Jews, as a minority in Germany, who enjoy all the rights of the majority society, support a state that denies precisely these rights to another people - the Palestinians. Through his policies, Israel is not only endangering the Palestinians, but also its own Jewish population and is increasingly becoming an unsafe place for Jews.”

With the censorship of the city, not to let the Israeli-German publicist Abraham Melzer to hold a lecture in Munich, the mood in wide circles of our city society has tipped, not only among those who have been dealing with the conflict for years.

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Zensur in München

Mit der Zensur der Stadt, den israelisch-deutschen Publizisten Abraham Melzer im Eine-Welt-Haus nicht auftreten zu lassen, ist die Stimmung in breiten Kreisen unserer Stadtgesellschaft weiter gekippt, nicht nur bei denen, die sich seit Jahren mit dem Konflikt beschäftigen.

Ich kann gut nachvollziehen, dass man Angst um den wachsenden Antisemitismus in Deutschland hat - auch mir bereitet dieser große Sorgen. Aber Verbote gegen Dialoge schüren eher die antijüdischen Gefühle. Denn die Stimmung gegenüber Israel und den Juden hierzulande wird immer aggressiver. Viele Menschen können die doppelten Standards, wenn es um die Politik des Staates Israel geht, nicht nachvollziehen. Auch aus diesem Grund versuchen mein Mann und ich schon seit Jahren in Gesprächen im Auswärtigen Amt und im Bundeskanzleramt Überzeugungsarbeit zu leisten.

 

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Honor Edward Said’s legacy by supporting BDS

September 25, 2016 marked the thirteenth anniversary of the passing of Professor Edward Said, one of the most influential intellectuals of the twentieth century, and a political icon for anyone invested in the Question of Palestine.  And as happens with many historical icons, Said’s legacy is causing a tug-of-war between “liberal Zionists” on the one hand, and the thousands of anti-Zionist critics and BDS activists his radical scholarship and political engagement have spawned.

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Don't call us 'Israeli Arabs': Palestinians in Israel speak out

When Israel’s founding fathers removed by force the native Palestinian Arab population living where they intended to establish their state, they murdered or displaced more than 80% of that population.

This act of ethnic cleansing — to borrow one of Benjamin Netanyahu’s newly found phrases  — was given a name in Arabic: the Nakba, or catastrophe. The Palestinian Muslims, Druze and Christians who remained in what became Israel have been, and are today, approximately 20% of the population. These are indigenous Palestinians and their descendants, who have had Israeli citizenship imposed upon them.

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Over 70 American intellectuals call for 'targeted boycott' of Israeli settlements

Over 70 American intellectuals and academics have published an open letter calling for a "targeted boycott" of all Israeli settlements in the West Bank, as well as of goods and services from the settlements,

The signatories of the letter, which was published in the New York Review of Books, included academics Bernard Avishai, Michael Walzer, Peter Brooks and Deborah Dash Moore, author and journalist Adam Hochschild and Haaretz columnist Peter Beinart.

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Jude und Palästinenserin. Trotz aller Unterschiede geht eine Zukunft für Israel und Palästina nur gemeinsam

Unser Friede ist ein Puzzle.
von Avraham Burg und Ghaida Rinawie-Zoabi

Wir sind zwei. Noch sind wir ungleiche Partner. Ähnlich und verschieden. Der eine, ein Mann aus der Mehrheitsgesellschaft, der alles hat. Die andere, eine Frau aus der Minderheit, der man praktisch nichts übrig gelassen hat. Und doch sind wir zusammen, um einer menschlichen, gerechten und fairen Zukunft willen, für uns und unsere Kinder.

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BDS ist eine antikolonialistische, antirassistische Bewegung.

Stellungnahme von BDS Berlin

BDS Berlin ist Teil der weltweiten Bewegung, die den Aufruf der palästinensischen Zivilgesellschaft vom Juli 2005 zu Boykott, Investitionsentzug [Desinvestitionen] und Sanktionen unterstützt, bis Israel internationalem Recht und den universellen Prinzipien der Menschenrechte nachkommt.

Dementsprechend sind Anhänger*innen und Unterstützer*innen von Kolonialismus, Apartheid und Rassismus bei unseren Protestaktionen nicht erwünscht. BDS ist eine antikolonialistische, antirassistische Bewegung.

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